Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

links-netz versteht sich als Zeitschrift. Beiträge externer Autoren sind daher ausdrücklich willkommen. Insbesondere freuen wir uns über Beiträge, die sich auf bereits hier publizierte Texte und Themen beziehen. Natürlich ist es auch möglich, ein neues Thema zu eröffnen, das zu dem allgemeinen Anliegen von links-netz passt. Alle Beiträge werden vor der Veröffentlichung von der Redaktion diskutiert und dann gemeinsam angenommen oder abgelehnt, bzw. zur Überarbeitung empfohlen. Die Redaktionssitzungen sind öffentlich und finden – in der Regel – einmal im Monat statt. Interessierte können Ort und Termin erfahren, indem sie eine Mail an redaktion@links-netz.de schicken. Bei Bedarf kann man sich so auch die Texte, die auf der nächsten Sitzung diskutiert werden sollen, zuschicken lassen.


Vorstellung: www.links-netz.de

links-netz besteht aus Leuten aus dem Raum Frankfurt/Main, die nicht nur politisch diskutieren, sondern auch in laufende Diskussionen eingreifen wollen. Dies vor dem Hintergrund der Tatsache, dass es um linke Theorie und Politik am Beginn des 21. Jahrhunderts gerade hierzulande nicht gut steht. Was allerdings unter „links“ zu verstehen ist und was eine linke Kritik auszeichnet, ist heute weniger denn je selbstverständlich, sondern bedarf neuer Orientierungen und Begründungen. Der Zusammenbruch der staatssozialistischen Systeme hat nur bestätigt, was schon lange offensichtlich war, nämlich dass es ein schlüssiges theoretisches und politisches Konzept für eine grundlegende emanzipative Umgestaltung der Gesellschaft nicht gibt. Wir glauben auch nicht, dass sich ein solches entwickeln lässt wie ein Fahrplan etwa in Richtung Sozialismus – was auch immer darunter zu verstehen sei. Dies hieße nur, die Fehler zu wiederholen, die zum heutigen desolaten Zustand linker Theorie und Politik geführt haben.

Nach 1989 hat sich aus den Trümmern des Kalten Kriegs die sogenannte „Berliner Republik“ erhoben. Damit verbindet sich eine bedeutsame Veränderung der Herrschafts- und Regierungsweise. Besonders bedeutsam scheint uns zu sein, dass das postfaschistische Deutschland beansprucht, unter Zurücklassung seiner Geschichte einen gleichberechtigten Part im Konzert der „westlichen Demokratien“ zu spielen, die die Welt ökonomisch, politisch und militärisch beherrschen wollen. Die Verbrechen während der Nazizeit werden nicht mehr beschwiegen und verdrängt , sondern in neuer Form relativiert und herrschaftstechnisch instrumentalisiert. Sie dienen der Rechtfertigung einer Macht- und Interessenpolitik, die sich menschenrechtlich und demokratisch bemäntelt und damit vorgibt, Lehren aus der Geschichte gezogen zu haben. Die rot-grüne Regierung hat es geschafft, militärische Gewalteinsätze zum Mittel der Vergangenheitsnormalisierung zu machen. Insofern könnte man die Kosovo-Intervention als den eigentlichen Gründungsakt des neuen Deutschland betrachten. Mit ihr ist es nicht zuletzt gelungen, einen wesentlichen Teil der sich als links verstehenden Intellektuellen in ein neues Herrschafts- und Hegemonieprojekt einzubinden. Deren geflissentliches Bekenntnis zum existierenden Staat, zu den bestehenden Machtverhältnissen und den sie tragenden ökonomischen und sozialen Strukturen markiert einen entscheidenden Szenenwechsel in der deutschen Nachkriegsgeschichte.

Mit der Kritik dieser „Berliner Republik“, ihren Legitimations- und Herrschaftsmechanismen wollen wir uns ebenso beschäftigen wie mit den sich neu herausbildenden oppositionellen Ansätzen und Bewegungen auch und gerade auf internationaler Ebene. Von der politischen Herkunft, den politischen Praxiszusammenhängen wie von den theoretischen und politischen Orientierungen her sind wir durchaus unterschiedlich. Würde nach einem gemeinsamen Label gefragt, so würde man es in den Theorien finden, die die Ideen der 68er Protestbewegung begründet und weiterentwickelt haben. Dazu gehört nicht nur ein undogmatischer Marxismus und die ältere Kritische Theorie, sondern auch eine ganze Reihe neuerer Entwürfe zur Kritik von Gesellschaft und Politik. Was heißt, dass wir uns keineswegs an der historischen Entsorgung von „68“ beteiligen wollen, die derzeit ein Hauptgeschäft nicht nur deutscher Intellektueller zu sein scheint.

Obwohl nicht gerade einem technologischen Fortschrittsoptimismus verfallen, sehen inzwischen selbst wir im Internet die Chance, ein offenes Diskussionsforum einzurichten, das nicht den wirtschaftlichen und technischen Zwängen einer herkömmlichen Zeitschrift unterliegt. Dass sich dabei recht originelle Möglichkeiten bieten, kann man an den links in diesem Text erkennen. Sie zeigen, dass dieser Begriff in der Tat höchst vieldeutig ist.

Wir beabsichtigen, hier in Zukunft Beiträge zu Themenschwerpunkten zur Debatte stellen, die wir für wichtig halten. Dies bezieht sich ebenso auf aktuelle linke Diskussionen wie auf die Auseinandersetzung mit dem, was sich im Feld des herrschenden theoretischen und politischen Diskurses und der praktischen Politik tut. Links-netz ist jedoch keine Zeitschrift mit periodischer Erscheinungsweise, auch kein Archiv für abgelegte Texte. Die Aktualität ergibt sich aus der Bedeutsamkeit der theoretischen und politischen Themen. Es geht uns darum, eine Diskussion zu dokumentieren und damit zur Diskussion aufzufordern. Da wir keine politische Gruppe im üblichen Sinne sind und keine „Linie“ vertreten, soll es dabei durchaus kontrovers zugehen. Antworten, Kommentare, Beiträge und Kritiken sind erwünscht und die technischen Möglichkeiten dazu sind vorhanden.