Trump oder die Macht der Rackets

Joachim Hirsch

Nach der US-Wahl sind die Medien voll von Statistiken, die Auskunft darüber geben sollen, wer Trump gewählt hat. Nichtweniger wichtig ist allerdings, wer eigentlich von seiner Wahl profitiert. Die US-Börse hat danach einen Höhenflug erlebt. Dies muss allerdings nicht unbedingt etwas bedeuten. Die „Märkte“, insbesondere die finanziellen waren oft schon von falschen Erwartungen geprägt. Dass Protektionismus und ein Handelskonflikt mit China oder auch der EU der US-Wirtschaft wirklich hilft ist keineswegs ausgemacht. Das Finanzkapital hat einigen Grund zur Freude, die Industrie eher weniger. Was allerdings diese Wahl deutlich macht: es etabliert sich ein neuer Herrschaftsmodus, der der „Rackets“. Und dies nicht nur in den USA.

Max Horkheimer hat in früheren Schriften diesen Begriff gebraucht, um Veränderungen in der kapitalistischen Klassenstruktur zu bezeichnen. Er wurde dann auch von Adorno aufgegriffen, dann aber nicht weiterverfolgt. Gemeint ist damit eine Entwicklung, in der kriminelle Personen oder Gruppen mittels der Verbindung von ökonomischer und politischer Macht dominant werden und damit dem kapitalistischen Klassenverhältnis eine neue Gestalt geben. Wesentlich dabei ist, dass sie in der Lage sind, den Staat zu ihrer unmittelbaren Beute zu machen. Dabei geht verloren, was als relative Trennung von Staat und Gesellschaft bzw. Wirtschaft bezeichnet wird. Diese „relative Autonomie“ des Staates setzt diesen in die Lage, über die Interessen einzelner Kapitale oder Kapitalfraktionen hinausgehend die Klassenverhältnisse so zu regulieren, dass die Stabilität des Gesamtsystems gewährleistet bleibt. Die in einem wechselseitigen Konkurrenzverhältnis stehenden Kapitalisten sind von sich aus dazu nicht in der Lage. Die ökonomisch-politische Dominanz einzelner Kapitalisten stellt diese Funktion in Frage.

Insbesondere Kai Lindemann und Ulrich Bröckling haben den Begriff Racket später wieder aufgegriffen und in Verbindung mit der neoliberalen Globalisierung und Finanzialisierung des Kapitalismus gebracht, die keineswegs eine übergreifende transnationale kapitalistische Klasse, sondern eben eine zunehmende Dominanz von „Rackets“ entstehen ließ. Das sind wie immer zu ihrem Geld gekommene Superreiche, die in der Lage sind, eine Macht auszuüben, die selbst die von Staaten übertrifft. Dies bedeutet, dass es schwieriger wird, ein gemeinsames kapitalistisches Klasseninteresse zu formulieren und durchzusetzen. Bestimmend werden die Profit- und Machtinteressen weniger Personen und Gruppen ohne Rücksicht auf die Bestands- und Entwicklungserfordernisse der gesamten – kapitalistischen – Gesellschaft.

Trump hat seinen Wahlsieg nicht nur seiner populistischen, rassistischen und antifeministischen Rhetorik, sondern auch der finanziellen und medialen Unterstützung einiger Mächtiger zu verdanken, nicht nur Elon Musk und Jeff Bezos, sondern auch weiterer, eher im Hintergrund stehender IT- und Tech-Konzerne. Besonders hervorgetan hat sich dabei Musk, der unter Einsatz erheblicher Geldmittel Wahlkampf für Trump geführt und dabei, wie dieser systematisch Lügen verbreitet hat. Die ehemalige Internetplattform Twitter wurde nach seiner Übernahme zu einem politischen Propagandainstrument. Dass der rechtsradikale J.D. Vance von Trump zum Vizepräsidenten erkoren wurde, hat er dem Einfluss Musks zu verdanken. Dieser wird nun als „Berater“ mit einer eigenen Behörde eine wichtige Position im Regierungsapparat einnehmen. Die Verbindung zwischen ihm und einem vorbestraften Staatschef bezeichnet auf eindrucksvolle Weise, was man als Herrschaft der Rackets bezeichnen kann. Sie korrespondiert mit einer politischen Öffentlichkeit, die via Internet vom Stammtisch dominiert wird, wo Lüge und Wahrheit ununterscheidbar werden und rationale Argumentation kaum mehr Platz findet. Dabei spielt Musks Internetplattform X eine herausragende Rolle.

Wenn es auf diese Weise einigen Mächtigen gelingt, ihre Interessen ungeachtet der Notwendigkeiten einer stabilen gesellschaftlichen Reproduktion durchzusetzen, nimmt der Kapitalismus eine neue Gestalt an. Die Gesellschaft –auch die herrschende Klasse – wird weiter gespalten und ein autoritäres Regime errichtet, das den Interessen einiger weniger dient. Trump hat bereits angekündigt, dass er zentrale demokratische und rechtsstaatliche Institutionen zu schleifen beabsichtigt. Der Kapitalismus nimmt in gewissem Sinne feudale Züge an, dominiert von wenigen Führern mit ihren Gefolgschaften. Feudal mutet es auf jeden Fall an, wenn Trump nun daran geht, wichtige staatliche Positionen mit Familienmitgliedern, Freunden und Speichelleckern zu besetzen. Bis hin zu der Absicht, einen seiner Söhne als Nachfolger aufzubauen.

Die Frage ist, wie stabil dieses Machtsystem ist. Auch zwischen den Rackets wird es Interessengegensätze und Konflikte geben. Offen ist auch, inwieweit es nicht dazu gehörenden Kapitalen und Kapitalfraktionen gelingt, sich zu organisieren und wieder ins Spiel zu bringen, wobei auch internationale Verflechtungen eine Rolle spielen. Sollte das Racketsystem aber Bestand haben, werden massive soziale Konflikte unvermeidlich sein. Und der autoritär-feudale Kapitalismus dürfte nicht zuletzt in Bezug auf den „globalen Süden“ an Anziehungskraft einbüßen, eine Entwicklung die jetzt schon im Gange ist. Das heißt, dass der Niedergang des „Westens“ mit seiner Führungsmacht USA beschleunigt wird. Von dem derzeit häufig beschworenen Modell des liberal-demokratischen Kapitalismus bleibt immer weniger übrig. Möglich wäre es auch, dass der neu formierte Kapitalismus aufgrund seiner inneren Widersprüche in eine fundamentale Krise gerät – und nicht durch eine sozialistische Revolution, wie einmal gehofft wurde. Emanzipative Perspektiven eröffnet dies allerdings nicht.

Literatur:

Ulrich Bröckling: Gewaltandrohung und Schutzversprechen. Zur Theorie des Rackets, in: WestEnd. Neue Zeitschrift für Sozialforschung, Jg. 15, 2018, H.2

Max Horkheimer: Zur Soziologie der Klassenverhältnisse, in Gesammelte Schriften Bd.22, Frankfurt a.M. 1985

Kai Lindemann: Der Racketbegriff als Herrschaftskritik. In: U. Ruschig/H.E. Schiller (Hg.), Staat und Politik bei Horkheimer und Adorno, Baden-Baden 2014

Kai Lindemann: Zur Politik der Rackets. Zur Praxis der herrschenden Klassen, Münster 2021.