Die Bodenpolitik: Eine grundsätzliche Veränderung ist erforderlich

von Werner Heinz

Die Nachfrage nach Grund und Boden sowie Immobilien ist gegenwärtig immens. Immobilien sind nach der Finanzkrise, dem Siegeszug des Finanzmarktkapitalismus und der Niedrigzinspolitik der Banken zum prioritären Anlagefeld für Kapitalanleger geworden. Nicht allein in den Großstädten der Ballungsräume und wirtschaftlich attraktiven Mittelstädten werden Grundstücke vermehrt als Anlage- und Spekulationsobjekte gesehen, „ein zunehmendes Kaufinteresse von außerlandwirtschaftlichen Kapitalanlegern (macht sich auch) am landwirtschaftlichen Grundstückmarkt (bemerkbar)“[1]. Inzwischen „besitzt der deutsche immobilienmarkt (zudem) ein großes Potential für Geldwäsche (…). Nach Schätzungen waren es allein 2017 über 30 Milliarden Euro“[2]. Der Preisanstieg bei Immobilienpreisen hat nach einem aktuellen Länderbericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Deutschlands „dynamischsten Städten eine genaue Beobachtung verdient“, insbesondere München und Frankfurt seien von einer Immobilienblase gefährdet[3]. Bei Neubauten in zentralen Lagen dieser Städte ist der Anteil der Grundstückskosten von früher 30 Prozent auf inzwischen 60 – 70 Prozent gestiegen. Zwischen Durchschnittseinkommen einerseits und Miet- und Bodenpreisen andererseits öffnet sich eine immer weiter auseinanderklaffende Schere. Die Mietbelastungsquote der Haushalte steigt damit anhaltend. Nach einer aktuellen Studie der Böckler-Stiftung mussten im Herbst 2017 in Deutschlands Großstädten rund 40 Prozent der Haushalte (5.6 Millionen) mehr als 30 % ihres Nettoeinkommens für Miete und Nebenkosten aufwenden[4]. Jeder 10. Großstadthaushalt gibt mehr als die Hälfte des verfügbaren Einkommens für Miete aus[5]. Gleichfalls der Böckler-Stiftung zufolge fehlen in den deutschen Städten gegenwärtig mehr als 2 Mill. bezahlbare Wohnungen. Der Sozialwohnungsbestand mit Mietpreisbindungen, der sich in den alten Bundesländern in den 1980er Jahren auf mehr als 4 Millionen belief, ging bis 2017 auf 1.2 Millionen Wohnungen zurück. Einem immer weiter um sich greifenden Mangel an bezahlbaren Wohnungen, der dazu führt, dass selbst Mittelschichtsangehörige wegen steigender Mieten gezwungen sind, ihren Lebensstandard einzuschränken, steht in den Entscheidungs- und Managementzentralen der globalen Wirtschaft der Bau von Wohnungen gegenüber, die nicht zur Nutzung, sondern allein als Kapitalanlage erstellt werden.

Diese Probleme und Missstände werden trotz ihres Umfangs von Entscheidungsträgern entweder nicht zur Kenntnis genommen – wie die Stellungnahme des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie deutlich zeigt – oder es wird versucht, ihnen mit einer Reihe isolierter fachspezifischer Ansätze (steuer- und planungsrechtlicher wie auch liegenschaftspolitischer Art) zu begegnen. Ein radikaler, an der Wurzel (radix) ansetzender Ansatz fehlt. Der allgemeine Hintergrund der Bodenproblematik wie kapitalistische Wirtschaftsweise und verwertungsorientierte Funktion des privaten Grundeigentums bleiben ebenso außen vor wie die eingangs skizzierten spezifischen Treiber der aktuellen Probleme auf dem Grundstücks- und Wohnungsmarkt: Globalisierung von Kapitalverwertung und Kapitalanlegern, finanzmarktgetriebenes wirtschaftliches Wachstum und seine räumliche Konzentration, Niedrigzinspolitik und steigender Nachfragedruck, sich überlagernde Ziele und Formen bei der Verwertung von städtischem Grund und Boden (von der ertragsorientierten Grundrente bis zum Boden als Teil der Kapitalverwertung und „Parkplatz“ für überakkumuliertes Kapital).

1. Wirksamkeit der gegenwärtig diskutierten Ansätze 

Was leisten die aktuell diskutierten Ansätze? Was kann mit ihnen, was soll mit ihnen erreicht werden?

Am häufigsten genanntes Ziel ist gegenwärtig die Bekämpfung der Wohnungsnot infolge einer immer weiter auseinanderklaffenden Schere zwischen Bedarf und Angebot an preiswertem Wohnraum. Diese hat allerdings auch – dies soll nicht vergessen werden – mit Entwicklungen zu tun, die häufig außer Acht gelassen werden: auf der Bedarfsseite mit einer Zunahme hybrider Beschäftigungsverhältnisse und stagnierender bzw. rückläufiger Lohnniveaus, auf der Angebotsseite mit einem langjährigen Rückzug von Bund und Ländern aus der Förderung des sozialen Wohnungsbaus und dem gleichzeitigen Abbau sozialer Wohnungsbestände infolge auslaufender Sozialbindungen. Die aktuellen Veränderungen auf dem Boden-, Wohnungs- und Kapitalmarkt sollen damit nicht klein geredet werden; sie spielen bei den aktuellen Wohnungsengpässen unbestritten eine maßgebliche Rolle. Das auf den Boden fokussierte private Profitinteresse treibt Immobilien- und Wohnungspreise gleichermaßen in die Höhe. 

Von den aktuell diskutierten bodenpolitischen Maßnahmen ist für die Reduzierung der Wohnungsproblematik jedoch kaum Besserung zu erwarten.  Die Auswirkungen der verschiedenen Steuermodelle sind unmittelbar finanzpolitischer und allenfalls mittelbar sozialpolitischer Natur. Die für Bebauungspläne geforderten Festsetzungen der Allokation von sozialem Wohnungsbau können zwar Standorte festlegen, aber keine baulichen Aktivitäten bewirken. Städtebauliche Verträge, die von einer zunehmenden Zahl von Städten praktiziert werden, können zum Bau sozialer Wohnungen beitragen, allerdings ist ihre Zahl – auch nach Aussagen aus der Stadt München, die über langjährige Erfahrungen mit diesem Instrument verfügt – angesichts des vorhandenen Bedarfs nur unzureichend. Gleiches gilt für das Instrument des Vorkaufsrechts. 

1.1.Besteuerung sowie gemeinwohlorientierte Eingriffe in die Verwertung privaten Grund und Bodens  

Große Erwartungen werden gegenwärtig an die Grundsteuerreform gerichtet. Ob sich dabei eine reine Bodenbesteuerung oder eine kombinierte Besteuerung von Boden und aufstehenden Gebäuden durchsetzen wird, ist noch nicht abschließend geklärt. In Hamburg und München wird zudem auch über eine Einführung der schon bei früheren Wohnungsengpässen diskutierten Bodenwertzuwachssteuer nachgedacht. Ziel aller Besteuerungsmodelle ist eine Abschöpfung steigender Bodenwerte bzw. Bodenwertzuwächse. Die Abschöpfung von leistungslosen, durch kommunale Planungs- und Infrastrukturmaßnahmen bewirkten Gewinnen kann beim Verkauf von Grundstücken oder auch in festgelegten zeitlichen Abständen periodisch erfolgen. Bei der Reformvariante Bodenwertsteuer ist zur Vermeidung von Negativeffekten vorgesehen, dass Grundstücke mit Eigennutzung erst ab einer bestimmten Größe erfasst werden und Grundstücke mit Sozialwohnungen unberücksichtigt bleiben. Die Höhe dieser Steuer ist unabhängig von der tatsächlichen Bebauung, da sie sich an der rechtlich maximal zulässigen Nutzung orientieren soll. Unbebaute Grundstücke werden damit um ein Vielfaches höher belastet als heute[6]. Ob und in welchem Umfang die mit der vorgeschlagenen Steuerreform erwartete Abkehr von einer spekulativen Zurückhaltung/Hortung auch unbebauter Grundstücke durch private Eigentümer und eine Ausweitung des Angebots an Bauland erreicht wird, ist eine offene Frage. Ein verstärkter Verkauf von Grundstücken wird allerdings nicht – vor allem in attraktiven Lagen – zu einem Absenken der Bodenpreise und dem Bau bezahlbarer Wohnungen führen. Die vorherrschende Funktion von Boden und Wohnungen als profitable Kapitalanlage wird durch steuerliche Reformen nicht  beseitigt. Darauf haben Vertreter der politischen Ökonomie bereits in den 1970er Jahren im Kontext der Bodenwertzuwachssteuer hingewiesen. „Die Untersuchung der Bodenwertzuwachssteuer und des Planungswertausgleichs haben gezeigt, dass von dieser Teilabschöpfung der Bodenwertzuwächse keine Einwirkung auf das Niveau der Bodenpreise erwartet werden kann. Für das Problem der Wohnungsversorgung heißt das, dass die Mietpreise weder durch die eine noch durch die andere Abgabe auf den Bodenwertzuwachs beeinflusst werden“[7]. Auch nach Ansicht der Autoren der Bodenpolitischen Agenda 2020-2030 ist: „Die Bodenwertsteuer…kein Instrument …, mit dem direkt oder gezielt gegen Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse vorgegangen werden könnte“[8]. Aus der aktuell diskutierten Reform der Grundsteuer wird im Gegenteil – wenn diese auch künftig auf die Mieter übertragen werden kann – ein Negativeffekt erwartet: eine zusätzliche, durch die öffentliche Hand verursachte Verteuerung. Ob diese Entwicklung – wie vom Bundesfinanzministerium beteuert – abgewendet werden kann, wird die kommunale Praxis zeigen. 

Mit steuerlichen Reformen wie der vor allem von kommunalen Vertretern präferierten Bodenwertsteuer partizipieren Kommunen an der Wertsteigerung von Grund und Boden. Für ihre Haushalte bedeutet dies zusätzliche Einnahmen, die – dies ist sozialpolitisch ihr potentieller mittelbarer Effekt – für Aufgaben der Daseinsvorsorge, so auch die Förderung bezahlbarer Wohnungen eingesetzt werden können. Ein Steuermodell wie die Bodenwertsteuer, das auf maximale Erträge setzt, dürfte für Städte von besonderem Interesse sein: je höher der angesetzte Wert  desto höher die kommunalen Steuereinnahmen.

Auf die Grenzen steuerrechtlicher Maßnahmen wurde bereits in den 1970er Jahren von Seiten der SPD hingewiesen: „die Entwicklung auf dem Bodenmarkt (werde) sich in den kommenden Jahren durch zunehmende Verknappung bei rascher steigenden Preisen so verschärfen …, dass kleinere Korrekturen, etwa steuerrechtlicher Art, nicht mehr zureich(t)en“[9]. „Deswegen sollte eine Steuerreform immer nur im Zusammenhang und als begleitende Maßnahme für ein soziales Bodenrecht stehen“[10].

Eine besondere Form der Besteuerung wird in Ländern wie Kanada und Neuseeland praktiziert. Mit einer hohen Sondersteuer wird hier versucht, dem spekulativen Erwerb von Grund und Boden durch ausländische Investoren einen gesetzlichen Riegel vorzuschieben. Von Regierenden Bürgermeister in Berlin wird neuerdings eine ähnliche Regelung in Erwägung gezogen.

Auch die Einsatzmöglichkeiten „städtebaulicher Verträge“, mit denen Investoren zur Schaffung von sozialem Wohnraum und zur anteiligen Übernahme von Infrastrukturkosten verpflichtet werden und mit denen gegenwärtig die höchsten Förderzahlen realisiert werden, sind begrenzt. Für neu errichtete Wohnungen, die über § 34 BauGB genehmigt werden – und dies sind im Durchschnitt etwa 50 Prozent, in der Stadt München bis zu 80 Prozent  – kommen städtebauliche Verträge nicht in Frage. Sie können nur in bestimmten Bereichen – auf kommunalen Grundstücken, bei denen privatrechtliche Regelungen möglich sind oder im Rahmen neuen Planungsrechts (Bebauungspläne) – geschlossen werden. Mit Hilfe solcher Verträge wurde in München zwischen 1994 und 2017 Baurecht auf privaten Flächen für mehr als 12 000 Wohnungen geschaffen[11], gleichzeitig fiel in diesem Zeitraum eine weit größere Zahl von Wohnungen aus der Sozialbindung[12].

Die quantitative Wirksamkeit des geltenden Vorkaufsrechts ist in wohnungspolitischer Hinsicht gleichfalls begrenzt. Kommunales Eingreifen ist nur in Gebieten möglich, in denen durch Satzungen – wie Milieuschutz- oder Erhaltungssatzungen – Gemeinwohlgründe zur Ausübung des Vorkaufsrechts vorliegen. Die Zahl derartiger Gebiete ist in der Regel begrenzt, beschränkt sich auf nur wenige Häuserblöcke und ist überdies auf wenige Jahre befristet[13]. Dementsprechend niedrig ist auch die Zahl realisierter Fälle in Großstädten wie München, Frankfurt oder Berlin. In München wurden zwischen 1994 und 2010 „45 Anwesen mit insgesamt 599 Wohnungen durch Ausübung des Vorkaufsrechts erworben und wieder privatisiert“[14]. Die  Stadt Frankfurt hat in Gebieten, für die eine Milieuschutzsatzung gilt, „seit 2016 den Kauf von 23 Immobilien empfohlen, das Liegenschaftsdezernat hat aber nur 8 Wohnhäuser … erworben sowie für weitere 13 Objekte … sogenannte Abwendungsvereinbarungen erzielt“[15].

Für die Schaffung bezahlbarer Wohnungen wird schließlich von vielen Seiten – so auch von Difu und vhw – „eine aktive Baulandpolitik der Städte und Gemeinden“ gefordert, da „ die Bereitstellung geeigneter Grundstücke … dafür eine unverzichtbare Voraussetzung (darstellt)“[16]. Vernachlässigt wird dabei, dass auch gegenwärtig gebaut wird, zum Teil in beträchtlichem Umfang – nur nicht in dem Marktsegment, in dem der Bedarf kontinuierlich zunimmt: dem des bezahlbaren Wohnraums. Für private Investoren ist dieser angesichts der gegenwärtigen Kapitalverwertungsbedingungen nicht rentabel. Ein dauerhafter, bezahlbarer und der Renditelogik entzogener Wohnungsbestand im Sinne kommunaler Daseinsvorsorge ist daher nicht Ergebnis einer „aktiven Baulandpolitik“, sondern Ergebnis eines Paradigmenwechsels in der Wohnungspolitik.

Dem Ziel „Bekämpfung der Wohnungsnot“ steht kein übergreifendes und weitreichendes Konzept, sondern nur ein fragmentierter Maßnahmenkatalog mit allenfalls begrenzter Wirksamkeit gegenüber. Einige der Maßnahmen greifen zu kurz, da weitere relevante Politikbereiche außer Acht gelassen werden; bei anderen stehen einem wachsenden Bedarf nur geringe Fallzahlen in der Praxis gegenüber. Diese Maßnahmen sind – dafür ist die Stadt München mit dem, trotz einer Vielzahl als beispielhaft erachteter bodenpolitischer Instrumente, teuersten Bodenmarkt in Deutschland ein Beispiel – kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Auch beim Bundeskongress „Nationale Stadtentwicklungspolitik“ im September 2018 in Frankfurt am Main wurde bei den meisten Instrumenten von einer Nischenfunktion gesprochen. Die Diskrepanz zwischen Problemumfang und kommunal zur Anwendung kommenden Instrumenten ist eklatant.

1.2. Öffentliches Eigentum an Grund und Boden – Erbpacht und Bodenbevorratung 

In der aktuellen bodenpolitischen Diskussion gewinnt zunehmend die Erkenntnis an Relevanz, dass – angesichts der Entwicklungen auf dem Grundstücks- und Bodenmarkt – öffentliches Eigentum an Grund und Boden im Sinne einer gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung und zur Sicherung und Stärkung des kommunalen Handlungsspielraums eine zentrale Erfordernis ist. Ein erster, wenn auch begrenzter Schritt könnte hier eine Abkehr vom Verkauf von noch in öffentlicher Hand befindlichen Grundstücken zu Höchstpreisen an Private sein. Diesen sollten dafür befristete Nutzungsrechte – mit Gemeinwohlbindungen – im Wege des Erbbaurechts eingeräumt werden. Dieses spielt z.B. in den Niederlanden eine bodenpolitisch wichtige Rolle und entspricht weitgehend der von Hans-Jochen Vogel in den frühen 1970er Jahren vorgeschlagenen Aufspaltung des Bodeneigentums in Verfügungs- und Nutzungseigentum. Kommunen haben mit diesem Instrument das Recht, Nutzer und Art der Nutzung zu bestimmen und behalten ihre planerische Gestaltungsmöglichkeiten; über Konzeptverfahren  können sie stadtentwicklungspolitische Ziele langfristig sichern. Auch ist „eine Verbesserung der Allokationsbedingungen des Sozialen … Wohnungsbaus denkbar, wenn die Gemeinden in der Lage wären, (über städtebaurechtliche Festsetzungen) die Nutzung vor allem innerstädtischen Bodens entsprechend festzulegen“[17]. Erbbaurechtszinsen sind zudem eine dauerhafte kommunale Einnahmequelle. Mit ihrer Bemessung können die Kommunen zur Senkung von Baukosten beitragen. 

Eine weitergehende, gleichfalls auf den Erhalt öffentlichen Bodeneigentums setzende Forderung wurde im Oktober 2018 von Münchener Seite vorgeschlagen. Zur dauerhaften Sicherung nicht allein des kommunalen, sondern des gesamten öffentlich-rechtlichen Liegenschaftsvermögens – vorrangig für Zwecke des Gemeinwohls – soll das Grundgesetz um einen Artikel 15a erweitert werden, der den Umgang mit Grund und Boden in öffentlichem Eigentum für alle staatlichen Ebenen regeln soll:

 „(1.) Grund und Boden im Eigentum des Bundes, der Länder, der Kommunen und deren Anstalten, Stiftungen und mehrheitlich beherrschten Unternehmen dient mit den darauf  errichteten Gebäuden und Anlagen der Erfüllung staatlicher Aufgaben. Er ist auch nach deren Entfall vorrangig für Gemeinwohlzwecke wie geförderten Wohnungsbau, Gesundheitsvorsorge, Bildung und Betreuung, Kultur und Sport sowie Natur- und Klimaschutz nutzbar zu machen.

(2.) Der Bestand des staatlichen Liegenschaftsvermögens ist zu erhalten und nach Möglichkeit zu mehren.

(3.) Grund und Boden Im Eigentum von Bund, Ländern und Kommunen und deren Anstalten, Stiftungen und mehrheitlich beherrschten Unternehmen darf nicht privatisiert werden. Er kann mit Gemeinwohlbindungen anderen staatlichen Ebenen zu angemessenen Konditionen dauerhaft oder befristet übereignet werde. Ein Verkauf gegen Höchstgebot ist ausgeschlossen. Privaten können befristete Nutzungsrechte mit Gemeinwohlbindungen im Wege des Erbbaurechts eingeräumt werden“[18].

Mit einer gezielten Politik der Bodenbevorratung soll zusätzlich zum Erhalt auch für den Ausbau des kommunalen Grundstückspools gesorgt werden. Dafür wird die Einrichtung revolvierend angelegter Boden- und Infrastrukturfonds gefordert. Die kommunalen Haushalte sollten hierfür mit entsprechenden Mitteln ausgestattet werden: gedacht ist dabei an Einnahmen aus Bodensteuern. Bund und Länder sollten den Aufbau dieser Fonds zusätzlich unterstützen: mit einer Anschubfinanzierung aus Mitteln der Wohnungs- und Städtebauförderung sowie der Bereitstellung bundes- und landeseigener Grundstücke. Ein aktueller Beschluss des Bundestages kommt dieser Forderung ein Stück weit entgegen. Danach sollen von den knapp 20 000 Liegenschaften, die die bundeseigene Bundesanstalt für Immobilienaufgaben verwaltet, etwa 5 000 kostengünstig an Kommunen für den Bau von Wohnungen vergeben werden[19].

Diese Zahlen klingen zunächst hoch, erweisen sich aber angesichts des Umfangs der gegenwärtigen Bedarfe – allein in den drei Städten Berlin, Köln und Frankfurt hat nahezu die Hälfte aller Einwohner Anspruch auf einen Wohnungsberechtigungsschein – als vergleichsweise gering. Und die erwarteten Mittel aus Grundsteuer-Einnahmen dürften infolge weiterer kommunaler Aufgaben, die mit ihnen finanziert werden sollen – von preisgünstigen Wohnungen bis zu Einrichtungen der Infrastruktur – auch kaum zum Aufbau eines angemessenen Bodenvorrats reichen.

2.  Ein problemadäquater Schritt: Erweiterung des öffentlichen Eigentums an Grund und Boden

 Die gegenwärtig diskutierten und praktizierten Ansätze zur Bekämpfung der kommunalen Boden- und Wohnungsproblematik sind zwar richtige, aber nur sehr begrenzte Schritte zur Lösung dieser Aufgabe. Erforderlich ist ein weitreichender Politik- und Paradigmenwechsel mit einer generellen Infrage Stellung des Privateigentums an Grund und Boden. Städtischer Boden müsste damit sukzessive in kommunales Eigentum überführt und dem Kapitalverwertungskreislauf entzogen werden. Beispiele aus dem Ausland wie Wien und der dortige Kommunale Wohnungsbau oder die auf staatlichem Bodeneigentum basierenden Erbbaurechtspolitiken von Singapur oder den Niederlanden könnten hier als Vorbilder dienen. Boden steht in diesen Staaten zum einen kostengünstig für Einrichtungen der Daseinsvorsorge zur Verfügung und kann zum anderen in Erbpacht an Private verpachtet werden. 

Nach den Regelungen des Grundgesetzes und einschlägigen Äußerungen von verfassungsrechtlicher Seite  ist eine solche Bodenpolitik angesichts der zunehmenden Beeinträchtigungen des Gemeinwohls und des Lebensstandards immer größerer Bevölkerungsschichten durch die Entwicklungen auf dem Boden- und Wohnungsmarkt auch hierzulande vorstellbar. In Artikel 14 Grundgesetz geht es zunächst in Abs.1 um den Schutz von Eigentum und Erbrecht, dann aber in Abs.2 auch darum, dass „Eigentum verpflichtet“ und „sein Gebrauch … zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen (soll)“ und Enteignungen im Sinne dieses Wohles zulässig sind (Abs.3)[20]. Nach dem weitergehenden Artikel 15 kann „Grund und Boden … zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden“[21]. Ein lange zurückliegender, in jüngerer Zeit jedoch häufig zitierter Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 1967 verweist darauf, dass „die Tatsache, dass der Grund und Boden unvermehrbar und unentbehrlich ist, (es) verbietet … , seine Nutzung dem unübersehbaren Spiel der Kräfte und dem Belieben des Einzelnen vollständig zu überlassen: eine gerechte Rechts- und Gesellschaftsordnung zwingt vielmehr dazu, die Interessen der Allgemeinheit in weit stärkerem Maße zur Geltung zu bringen als bei anderen Vermögensgütern“[22].

In einer Situation, in der die Interessen immer größerer Bevölkerungsgruppen in vielen Städten infolge gravierender Defizite bei bezahlbaren Wohnungen zunehmend beeinträchtigt sind, ist eine Politik erforderlich, die sich nicht allein auf punktuelle Ansätze beschränkt, sondern an den Ursachen dieser Problematik ansetzt. Die o.g. Interessen der Allgemeinheit müssten dabei über private Profitinteressen gestellt werden. Ziele sollten eine schrittweise Zurückdrängung von Bodeneigentum sein, das nicht der privaten Nutzung, sondern allein der monopolistischen Verwertung dient sowie ein sukzessiver Aufbau von Gemeinschaftseigentum. Zur politischen Durchsetzung dieses Ziels gibt es als notwendiges Mittel das Instrument der Enteignung gegen Entschädigung. Beim Bau von Autobahnen oder bei Einrichtungen der Kohle- und Atomwirtschaft sind Enteignungen keine Seltenheit, in der Wohnungspolitik kommen sie seit den Nachkriegsjahren allenfalls in Ausnahmesituationen zum Tragen. Der so gewonnene Boden sollte für Einrichtungen der Daseinsvorsorge und bezahlbaren Wohnungsbau verwendet werden. „Ein(em) eventuell denkbaren Missbrauch …. (sollte) durch Erkämpfung einer demokratischen Kontrolle und Mitbestimmung der Bürger (begegnet werden)[23].

Für die Umsetzung dieser keineswegs revolutionären, sondern auf dem Boden des Grundgesetzes stehenden Forderung bedürfte es einer differenzierten Auseinandersetzung, die aber an dieser Stelle nicht möglich ist, sondern Gegenstand einer weiteren Studie sein sollte. 

Umsetzungsrelevante Vorschläge aus jüngerer Zeit gibt es bereits. Die Berliner Mieter Gemeinschaft votiert – mit Unterstützung der LINKEN – für ein Volksbegehren, das darauf zielt, die Wohnungsbestände großer Wohnungsbauunternehmen mit Gewinnerzielungsabsichten und einem Bestand von mindestens 3 000 Wohnungen sukzessive in Gemeineigentum zu überführen[24]. Ziel ist die Versorgung der Stadtbevölkerung mit Wohnraum zu leistbaren Mieten. Die Entschädigung soll per Gesetz geregelt und anteilig vom Land Berlin und über Kredite finanziert werden. Zur Sicherung demokratischer und transparenter Entscheidungsstrukturen soll für die vergesellschafteten Wohnungsbestände ein Gesamtmieterbeirat eingerichtet werden.

Von einem Mitglied des „Münchener Aufrufs für eine andere Bodenpolitik“ kommt ein Vorschlag, der sich gleichfalls auf Art.15 GG stützt und sich für eine Begrenzung der privatrechtlichen Verfügungsgewalt über Grund und Boden ausspricht[25]. Unter Hinweis auf die Bodenpolitik Dänemarks wird eine mengenmäßige Begrenzung des privaten Bodeneigentums auf den Eigenbedarf gefordert. „Das im Erbfall über den Eigenbedarf der Erben hinausgehende Grundvermögen würde … gegen Entschädigung verstaatlicht und in Erbpacht zur Nutzung vergeben. Das Bodeneigentum und die damit erzielbaren Einkünfte würden so nach und nach über ein paar Generationen hinweg an die Gemeinschaft zurückfallen. Nicht mehr möglich wäre die Hortung von und das Spekulieren mit Grund und Boden und damit das Erzielen leistungsloser Einkünfte“[26].

Für einen staatlichen Eingriff in die private Bodenverwertung ist Dänemark – wie bereits erwähnt – kein Einzelbeispiel. Und in Singapur befindet sich der gesamte Grund und Boden des Stadtstaates in öffentlicher Hand. Die mit einer solchen Bodenpolitik von vielen – so auch angesichts der bodenpolitischen Vorschläge von Hans-Jochen Vogel in den frühen 1970er Jahren  – befürchtete Beseitigung der kapitalistischen Gesellschaftsform ist nicht eingetreten. Es handelt sich vielmehr um Länder mit einer anderen Bodenordnung – mit maßgeblichen Vorteilen für die Wohnungsversorgung ihrer Bevölkerung[27].

„Gesellschaftliche Veränderungen“, so hieß es bereits 1972 „werden uns nicht geschenkt, sie müssen erkämpft werden. Dies gilt auch für ein soziales Bodenrecht“[28].

Anm. der Redaktion: Bei diesem Text handelt es sich um das Schlusskapitel eines von Werner Heinz und Bernd Belina verfassten Beitrags mit dem Titel: Die kommunale Bodenfrage – Hintergrund und Lösungsstrategien. Dieser  ist auf der Homepage der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu finden: RLS-Studien 2/2019.


[1] Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften, Aktuelles zum landwirtschaftlichen Bodenmarkt und Bodenrecht, Berlin 2018, S.3 zurück

[2]  Transparency International, Geldwäsche bei Immobilien in Deutschland, Kompakt, Berlin 2018, S.1 zurück

[3]  Zit. nach: Diesen deutschen Städten droht eine Immobilienblase, in: https://www.gmx.net/magazine/ratgeber/wohnen-immobilienzurück

[4]  isw sozial-ökologische Wirtschaftsforschung e.V., …die sich arm mieten, in: https://www.isw-muenchen.de/2018/11/die-sich-arm-mieten zurück

[5]  Siehe Frankfurter Rundschau vom 13.9.2017. zurück

[6]  Deutsches Institut für Urbanistik und vhw, Bodenpolitische Agenda 2020 – 2030, Berlin 2017, S.21. zurück

[7]  Helmut Brede u.a., a.a.O., S.241. zurück

[8]  Deutsches Institut für Urbanistik und vhw, a.a.O., S. 22. zurück

[9]   Peter Conradi, Hartmut Dieterich und Volker Hauff, Für ein soziales Bodenrecht, Frankfurt 1973, S.139. zurück

[10]  Ebenda, S.115. zurück

[11]  https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Kommunalreferat/immobilien/sobon.html zurück

[12]  So der frühere Münchener Stadtdirektor Stephan Reiß-Schmidt in einem Vortrag in der Evangelischen Akademie in Frankfurt  zurück

[13] Bernadette-Julia Felsch,a.a.O., S.39. zurück

[14] Bernadette-Julia Felsch, a.a.O., S.40 zurück

[15] Vorkaufsrecht kaum genutzt, in: Frankfurter Rundschau vom 1.11.2018. zurück

[16]  Deutsches Institut für Urbanistik und vhw, a.a.O., S.14. zurück

[17]  Helmut Brede u.a., a.a.O., S. 257. zurück

[18]  Stephan Reiß-Schmidt, unveröffentlichtes Manuskript zurück

[19]  Bund will Baugrundstücke freigeben, in: https://www.mdr.de/nachrichten/politik/inland/bund-grundstuecke… zurück

[20]  Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Bad Homburg vor der Höhe, Berlin, Zürich 1974. zurück

[21]  Ebenda zurück

[22]  Zit. nach Christa Luft, Wider den Marktradikalismus, Rosa-Luxemburg Stiftung (Hrsg.), Analysen Nr.46, S.14. zurück

[23]  Jörn Janssen, Michael Ratz, a.a.O., S.42. zurück

[24]  Berliner Mieter Gemeinschaft, in: https://www.bmgev.de/mieterecho/archicv/2018/me-single/article… zurück

[25] Bernadette-Julia Felsch, a.a.O., S.119ff. zurück

[26]  Ebenda, S.120. zurück

[27]„Mit der Wohnungsversorgung findet“ einem Gesprächspartner in Singapur zufolge „ in dem ansonsten wenig sozialen Singapur eine Art Umverteilung statt“, 2.12.2018. zurück

[28]  Peter Conradi, Hartmut Dieterich, Volker Hauff, a.a.O., S. 142. zurück