Wie verstehen wir die Wahl 2020 in den USA?

Margit Mayer

Die Demokratische Partei hatte in den Vorwahlen Joe Biden als “sicherste Wette” gegen Trump hervorgebracht, doch statt des vorhergesagten Erdrutschsiegs verfolgte die Welt ein tagelanges Kopf-an-Kopf-Rennen, schlussendlich einen knappen Sieg für das Biden-Harris-Ticket, signifikante Verluste im Repräsentantenhaus, und die für sicher gehaltene Machtübernahme im Senat blieb aus – bislang, falls bei zwei Stichwahlen im Januar auf die Senatsposten für Georgia beide Demokraten siegen sollten, ergäbe sich ein 50:50 Ergebnis, also nur durch die Stimme der Vizepräsidentin Harris eine ”Mehrheit”.

Dennoch ist das Wahlergebnis historisch, brachte es doch endlich eine Frau ins Amt des Vizepräsidenten, obendrein eine nicht-weiße Frau, deren Eltern aus Indien und Jamaica eingewandert waren. Kamala Harris steht als Symbol für die Möglichkeiten des multiethnischen, diversen und chancengerechten Amerika. Diesem Amerika steht – recht unversöhnlich – das mehrheitlich weiße Trump-Lager gegenüber.

Ich wurde gebeten, für links-netz eine “materialistische” Analyse beizusteuern, die die hinter dem gleichzeitig historischen wie ernüchternden Wahlergebnis stehenden Klassenkräfte und die (Kapital-)Interessen transparent macht. Aber kann eine solche Perspektive dabei helfen, die zugrunde liegenden Verschiebungen und Auseinandersetzungen besser zu verstehen?

Der Text betrachtet zunächst die herrschende Klasse und ihr Verhältnis zu den Parteien, und dann die restlichen Klassen, um festzustellen, dass ihr Verhältnis zu den beiden Parteien bzw. zum politischen System der USA zwar durch ökonomische und soziale Interessen bzw. Frustrationen bestimmt wird, aber wie sich diese in politisches Wahlverhalten übersetzen, kann zum einen kaum mit den traditionellen Klassenkategorien erfasst werden und ist zum anderen durch die sehr unterschiedliche Mobilisierungsfähigkeit der beiden Parteien bzw. der zugrunde liegenden Einschätzungen ihrer potentiellen Wähler*innen bestimmt. Die Rolle kultureller und ideologischer Faktoren sowie mobiliserter Vorurteile und identitärer Zuschreibungen wird dabei womöglich häufig überschätzt.

1. Klasseninteressen und die Parteien

Spätestens seit Mitte der 1990er Jahre, als sich die Führung (das “Establishment”) der Demokratischen Partei als Partei der Wall Street bekannte, vertreten beide Parteien die Interessen des “grossen Kapitals”, und für die zentralen Marktakteure ist es ziemlich egal, ob Demokraten oder Republikaner in Washington regieren. Sie versorgen beide mit riesigen Wahlkampfspenden[1], und umgekehrt haben beide Parteien diese Akteure und ihre Organisatoren seither mit Steuerkürzungen, Deregulierungen und Gerichtsentscheidungen[2] reich(er) und mächtiger gemacht. In unseren Köpfen existieren immer noch tradierte Vorstellungen, dass die Republikaner die Öl- und Gas-Industrien, die Schwerindustrie und das in Immobilien und Bauindustrie engagierte Kapital vertreten. Auf der anderen Seite gehen wir immer noch davon aus, dass die Unterhaltungsindustrie (Hollywood), High-Tech (Silicon Valley), die Informationsindustrie sowie Forschungs- und Bildungsbranchen und vielerlei Dienstleistungsindustrien (z.B. die grossen Anwaltsfirmen) die Demokratische Partei unterstützen. Aber diese Unterschiede sind kaum noch signifikant. Zwar kommt es bei den Political Action Committees (PACs)[3] bestimmter Branchen ab und an noch zu Verschiebungen, beispielsweise haben die der Pharmaindustrie ihre Spenden traditionell vor allem den Republikanern zukommen lassen, aber wegen Trumps Corona-Politik in diesem Wahlkampf stärker der Demokratischen Partei.[4] Wichtig ist jedoch, dass in fast allen Branchen seit der Deregulierung der Finanzmärkte Investorenfirmen, die mit spekulativen Finanzprodukten handeln, übermächtig geworden sind. Entweder sind sie über ihre Investitionen zu Miteigentümern der grössten Firmen geworden, oder sie entscheiden, an welche Investoren und Firmen sie ihre Kredite vergeben (oder eben nicht) – so oder so hat der Banken- und Schattenbankensektor an (Entscheidungs-)Macht gewonnen. Und er hat in den letzten vier Jahren keineswegs seine Unterstützung für die Trump-Regierung verweigert – noch hatte er irgendwelche Einschränkungen zu befürchten, ganz im Gegenteil.

Biden machte bereits in den acht Jahren seiner Vizepräsidentschaft keinen Hehl aus seiner Unterstützung für das Finanzkapital, und auch im Wahlkampf versprach er, dass neben dem Bankensektor auch die Energiewirtschaft[5] inklusive Fracking-Industrie (in die die Wall Street schliesslich Millionen investiert hat) auf die Unterstützung einer Biden-Harris-Regierung zählen kann. Sobald sich der Wahlsieg der Demokraten abzeichnete, kündigten sowohl das Amerikanische Petroleum Institute[6] als auch die US Chamber of Commerce[7] öffentlich an, mit der neuen Regierung eng kooperieren zu wollen.

Die Topmanager aus der Finanzindustrie und den führenden Konzernen der Rüstungs- und Chemie-Branchen sowie der Börsengiganten Amazon, Google, Apple, Microsoft, Facebook und Twitter stellen – mit einigen anderen ‘High Net Worth Individuals’ – das Gros der seit den Wall Street Protesten als “1%” Bezeichneten und ihre sektorale Fraktionierung ist politisch – also was eine differenzierende Unterstützung der beiden Parteien angeht – relativ irrelevant.

Die restlichen 99% der amerikanischen Gesellschaft zerfallen gemeinhin in Unterklasse, Arbeiterklasse und Mittelklasse, wobei diese Kategorien äusserst diffus und möglicherweise nicht mehr hilfreich sind. Nicht nur hat sich an den Proportionen seit Erfindung dieser Kategorien einiges geändert. Sondern vor allem wurden die unteren 90% der US-Gesellschaft (egal wie wir sie intern klassifizieren) im Verlauf der Neoliberalisierung der letzten vier Dekaden sämtlich zu Verlierern in einer massiven Umverteilung von unten nach oben. Dabei haben Prekarisierungstrends nicht nur die Arbeitsplätze in den unteren Segmenten des Arbeitsmarkts erfasst, sondern auch diverse Mittelschichten. Diese “unteren Einkommensschichten” in Stadt und Land stellen inzwischen die grosse Mehrheit der amerikanischen Bevölkerung dar. Die Rand Corporation hat jüngst eine Studie[8] veröffentlicht, die sowohl zeigt, wie ungemein stark sich die Einkommensungleichheit in dieser Periode intensiviert hat, als auch, dass in deren Verlauf $47 Billionen von den unteren 90% zu den oberen 10% umverteilt wurden. Diese Billionen konzentrieren sich insbesondere bei den obersten 0,1%. Sie haben im Verlauf dieser 40 Jahre ihren Anteil am Reichtum der amerikanischen Nation auf 20% gesteigert.

Betrachtet man die kalkulierten Auswirkungen des 2017 verabschiedeten “Tax Cuts and Jobs Act”, werden die quantitativen Dimensionen der aktuellen amerikanischen Klassenstruktur noch deutlicher. Dies Gesetz senkt in der Tat anfänglich die Steuern für alle Gruppen, die über Einkommen verfügen. Ab 2021 gelten jedoch für die unteren Einkommensgruppen Steuererhöhungen, und zwar sukzessiv alle zwei Jahre bis 2027. Faktisch erfahren also lediglich die über $100.000 verdienenden Gruppen eine Steuerreduktion – für alle anderen, also ca. Dreiviertel der Steuerzahler*innen werden die Steuern steigen.[9]

Wie sich diese unteren Dreiviertel der amerikanischen Gesellschaft zwischen Unterschicht, Arbeiterklasse, Mittelklasse oder Kleinbourgeoisie aufteilen, ist schwer auszumachen. Die Kategorien selbst erscheinen angesichts der in jeder Sparte sich ausbreitenden prekären Arbeits- und Beschäftigungsformen wenig hilfreich. Auch wenn sie zu geringeren Teilen in der Fabrik, dafür mehr in Handel & Transport, im Care-Bereich, als “Selbstunternehmer” in der Gig-Wirtschaft oder in personenbezogenen und unterbezahlten Dienstleistungsjobs arbeiten, gehören sie praktisch alle zu den arbeitenden (=ausgebeuteten) Klassen, und immer mehr von ihnen sind immer höher verschuldet, können ihre Hypotheken nicht mehr bedienen, oder müssen wegen mangelnder Krankenversicherung um ihre Existenz bangen.[10] Schon vor der Ausbreitung der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Folgen sahen sich diese arbeitenden Klassen als Verlierer der letzten 40 Jahre neoliberaler Entwicklung, und sie nahmen, vor allem in den unteren Rängen der Einkommenshierarchie, keine der beiden Parteien als Vertreter ihrer Interessen wahr. Tatsächlich war die neoliberale Politik seit der Clinton-Regierung mit verantwortlich für ihre Verluste, aus denen sich die Ressentiments gegenüber “den Eliten” speisen. Trump bot (insbesondere den weißen, nicht in Großstädten lebenden) Teilen der arbeitenden Klassen immerhin Versprechungen und Sündenböcke an – von Immigranten über China bis hin zu “den Ostküsteneliten”, also den kulturellen und kosmopolitischen Schichten, die in etwa den oberen 10% der Einkommensskala entsprechen. Im dritten Quartal 2020 sahen die Beschäftigungszahlen der US-Wirtschaft vergleichsweise gut aus (wie irreführend solche Momentaufnahmen auch immer sind), was seine Zustimmungsraten ansteigen liess. Ein neuer Lockdown würde, so argumentierte er, diese “Erholung” wieder zunichte machen. Mit seinem beharrlichen Insistieren darauf, die Wirtschaft am Laufen zu halten, fand er Resonanz bei Ladenbesitzern, Bar- und Restaurantbetreibern und anderen Mittelschichts-Unternehmen – aus deren Sicht verordnete Schliessungen weitaus bedrohlicher erscheinen als weitere Corona-Tote. Und er konnte damit auch bei den arbeitenden Klassen punkten, die sich täglich zwischen Einkommen und Gesundheit entscheiden müssen, keine Chance auf Home Office haben, oder durch Lockdowns bereits ihre Jobs (mitsamt daran gebundener Krankenversicherung) verloren haben. Diesen potentiellen Biden-Wähler*innen hatte die Kampagne der Demokraten wenig zu bieten. Obwohl sie sich für Arbeiterrechte und den Mindestlohn von $15 stark machte, blieb ihr Versprechen von Millionen grüner Jobs in den deindustrialisierten Rustbelt-Städten und den verarmten innerstädtischen Communities abstrakt. Die Führung der Demokratischen Partei hat – im Gegensatz zu Sanders und den wenigen progressiven Kandidat*innen – weder Hilfspakete konkretisiert noch perspektisch konkrete Lösungen angeboten, so wie vorher Sanders oder auch Warren in Form von geographisch gezielten öffentlichen Investitionen, Kontrolle von Kapitalflucht, oder massiver öffentlicher Beschäftigungsprogramme gefordert hatten. Biden unterbreitete keinerlei konkrete Vorschläge, wie die von Lockdowns und Arbeitsplatzverlusten Betroffenen überleben könnten. Auch im Kongress vermochten die Demokraten es nicht, das im Repräsentantenhaus verabschiedete $2,2 Milliarden-Hilfspaket offensiv zu nutzen, um den Wähler*innen zu zeigen, wie eine Biden-Regierung die Einkommen von Geringverdienern schützen würde solange die Pandemie ausser Kontrolle ist. So konnte es Trump gelingen, zusätzlich zu seinen (rassistischen und chauvinistischen) hard-core Unterstützern, jenen 35+ Prozent, die ihn durchgehend unterstützen (egal wie kriminell oder verrückt er agiert), auch Stimmen von den ökonomisch zunehmend prekären und abgewickelten Arbeiterklassen (eigentlich potentielle Demokraten-Wähler*innen) zu gewinnen. Dies schlicht weil ihnen ihr eigenes Überleben näher ist als abstraktere Sorgen um die öffentliche Gesundheit.

Weder die Beraterfirmen, welche die Wahlkampagnen der Partei ausarbeiten, noch die Nachwahlbefragungen (die sog. exit polls) nehmen solch relativ kleinräumig sich manifestierende Erfahrungswelten als relevante Faktoren wahr.[11] Die von der Führungsriege der Demokratischen Partei engagierten Beraterfirmen fanden mit den von ihnen verwandten Erhebungsverfahren und Fokusgruppen heraus, dass der Mindestlohn und eine Krankenversichung, die Menschen mit Vorerkrankungen nicht benachteiligt, die “heissesten” Themen seien und operierten landesweit mit entsprechenden schablonenartigen Werbespots – die bei suburbanen Mittelschichten weitaus besser ankamen als beispielsweise in den verarmten Gebieten von Süd-Texas.[12]

Bei den Exit Polls wurde nach Einkommensgruppen gefragt, aber die meisten unterscheiden nur zwischen ”unter $100.000” und ”über $200.000”, wobei das Segment der zwischen $100.000 und 200.000 verdienenden mehrheitlich für Trump und sowohl die darunter als auch darüber Befindlichen mehrheitlich für Biden gestimmt hätten.[13] Stichhaltige Aussagen über etwaige Korrelationen zwischen Wahlverhalten und Einkommensgruppen- bzw. Schichtzugehörigkeiten oder Stadt/Land- und Race/Gender-Markierungen könnten also (wenn überhaupt) erst nach Vorliegen der endgültigen und differenziert aufgeschlüsselten Wahlergebnisse und deren gründlicher Analyse erfolgen.

Was wir allerdings bereits heute sicher wissen ist, dass die Wahlbeteiligung weitaus höher war als vor vier Jahren – wobei die der nicht-weißen Bevölkerung weitaus stärker anstieg als die der weißen. Die Stimmen aus den schwarzen und Latinx Communities gingen disproportional an Biden-Harris (aktuell werden 90% der “black vote” für Biden-Harris vorausgesagt[14]), in geringem Umfang auch an Trump. Seine höchsten Werte erzielte Trump wie bei der letzten Wahl bei weißen Wählern ohne College-Abschluss (35 Prozentpunkte mehr als Biden, aber 2 Punkte weniger als 2016). Er verlor dagegen an Zustimmung weißer Wähler mit College-Abschluss (3 Punkte weniger als Biden, 2016 lag Hilary Clinton noch 3 Punkte unter ihm). Weiße Frauen ohne College-Abschluss stimmten, wie schon 2016, weitaus stärker für Trump (+27), während die Stimmen weißer Männer ohne College-Abschluss für Trump um 6 Punkte abnahmen (hier machte Biden gegenüber Hilary Clinton einiges gut), aber immer noch bei +42 liegen.[15] Für das Wahlergebnis ausschlaggebend scheint also vor allem die Gespaltenheit einer verunsicherten Gesellschaft zu sein, die – abgesehen von den ideologisch und kulturell relativ festgelegten Anhängern auf beiden Seiten, die beide Parteien unterschiedlich gut für sich zu nutzen wissen. Zurück bleibt, trotz historisch hoher Wählermobilisierung, eine Menge von über 30% Nichtwählern, die trotz Pandemie und wirtschaftlicher Depressen von keiner der beiden Parteien Abhilfe erwartet.

2. Deutungen und deren Wirkungen

Zunächst zu den Trump-Wähler*innen: Linke Kommentator*innen sind seit 2016 uneinig, ob die durchschnittlichen Trump-Wähler*innen eher aus höheren Einkommensgruppen stammen als Clinton/Sanders/Biden-Wähler*innen. Während die einen argumentieren, dass Trumps Anhänger*innen sich vor allem aus den besser verdienenden Schichten rekrutieren, die Obamas Krankenversicherung (‘Obamacare’) ablehnen und fürchten, von den “sozialistischen” Demokraten stärker besteuert zu werden, sehen die anderen in den in ländlichen und kleinstädtischen Gebieten der “Mitte” Amerikas lebenden ärmeren Wähler*innen die ideologischen Kontrahenten der Clinton/Sanders/Biden-Anhänger*innen: latent rassistisch und potentiell faschistisch gelten sie als das Reservoir der Trump-Wählerschaft.[16]

Das Gros der Wahlberichterstattung schliesst aus der Tatsache, dass von 160 Millionen Wahlberechtigten – nach vier Jahren Trump-Erfahrung – beachtliche 73 Millionen ihre Stimme an Trump gegeben haben, dass diese Millionen entweder die nationalistischen, chauvinistischen, rassistischen und migrantenfeindlichen Haltungen Trumps teilen oder zumindest billigend in Kauf nehmen. Jedenfalls ist der Anteil der Weißen (insbesondere der weißen Frauen) in der Basis der Republikanischen Partei gewachsen, und diese – zunehmend weiße – Partei operiert gezielt mit einem “ethnozentrischen Alarmismus” (Bartels 2020[17]), der Resonanz quer durch die Einkommensschichten findet. Die de-industrialisierten Arbeiter*innen und andere abgehängte soziale Gruppen, die von Trumps unternehmerfreundlichen Politik eigentlich nichts zu erwarten haben, wurden in ihren wirtschaftlichen Nöten von Trump angesprochen und abgeholt (und nicht, wie von Hilary Clinton, als “deplorables” stigmatisiert). Er stellte ihre Nöte als Resultat der Globalisierung (sprich: der Politik der Demokratischen Partei), ihrer Ignorierung durch die Eliten der Ost- und der Westküste[18] und einer Sozialpolitik dar, die sich stärker um städtische Schwarze (als ländliche Weiße) kümmere. Weil die USA demographisch an der Schwelle eines Wandels stehen von einer mehrheitlich weißen Gesellschaft zu einer, in der farbige Minoritäten und kulturell fremde Migrant*innen die Mehrheit bilden werden, mobilisiert die Republikanische Partei gezielt Angst vor dem drohenden Verlust des ”American way of life” und Ressentiments gegen all diese ”Schuldigen”.

Ob deshalb die gesamte Wählerschaft Trumps überzeugter und homogener in ihrer Unterstützung für diesen Präsidenten ist als die 79 Millionen Biden-Wähler*innen[19], mag dahin gestellt sein. Aber richtig ist, dass die Republikanische Partei seit der Finanzkrise von 2008 die sich über deren Folgen entwickelnde Unzufriedenheit ganz anders genutzt und organisiert hat als die Demokratische Partei. Der Protest der Tea Party wurde finanziert, gefördert und schließlich mit aufgenommen. In den folgenden Jahren haben die Republikaner systematisch und strategisch ihr Netzwerk von reichen Spendern gepflegt und genutzt, um bestehende und neue Think Tanks, PACs, und in sämtlichen Einzelstaaten Zentren für Policy-Entwicklung aufzubauen, die ihnen genehme Kandidat*innen im Wahlkampf finanziell, logistisch und inhaltlich unter die Arme greifen und in der Politik (besonders auf einzelstaatlicher und lokaler Ebene) für die Umsetzung rechts-konservativer Policies sorgen. Sie nutzen eine riesige Menge von (durch diese Spender und Stiftungen finanzierten) Vorfeld-Organisationen, von fundamentalistischen und konservativen Kirchengemeinden über lokale Radiostationen bis hin zu diversen sozialen Medien, um über sie Millionen von Wähler*innen zu erreichen. Diese werden, dank datenbasierter Technologien, sehr differenziert angesprochen: falls sie eher der Demokratischen Partei zuneigen, werden sie mit Falschinformationen gefüttert, im andern Fall je nach individueller Orientierung mobilisiert, sei es auf der Basis von abtreibungsfeindlichen Haltungen oder weil jemand Waffen besitzt — was auch immer die riesigen Datenbanken den Klinkenputzern über die Orientierungen der Angesprochenen verraten.[20] Trump nutzte, im Gegensatz zu früheren Republikanischen Präsidenten, auch die Angebote des Council for National Policy,[21] liess 2016 Teile der Republikanischen Wahlplattform von diesem schreiben (die 2020 genau so wieder aufgelegt wurden), und akzeptierte die Nominierungsliste des CNP für den Obersten Gerichtshof.[22] In den vergangenen vier Jahren hat Trump nicht nur drei vakant gewordene Sitze am Obersten Gericht mit extrem konservativen Ernennungen besetzt, sondern auch 53 Appeals Court Judges (Richter an Berufungsgerichten) und 161 District Court Judges (Richter an Bezirksgerichten) ernannt – und damit auf Dekaden den Entwicklungsmöglichkeiten des Landes ein Korsett verpasst. Kurz, er und seine Mitstreiter*innen waren nicht nur im Wahlkampf äusserst effektiv und erfolgreich, sondern auch im Umbau der politischen Institutionen, die eine progressive Politik künftig erschweren.

Ob sämtliche so gewonnenen Trump-Wähler*innen deshalb – zusammen mit den hard-core Trumpers – als “perfectly happy with the United States being … a rogue state in the world” einzuschätzen sind, “who believe that they are invested in the continued national chauvinism and that … authoritarianism is the way to go,”[23] erscheint deshalb keine zwingend notwendige Schlussfolgerung. Was die Millionen zusätzlicher Stimmen für Trump (den die Polit-Experten ja mehrheitlich für eine “aberration,” einen einmaligen Fehltritt, hielten) jedoch zeigen ist, dass, wie anderswo auch, wachsende Ungleichheiten in der Gesellschaft und wachsende Unzufriedenheit mit den traditionellen politischen Institutionen einen Humus darstellen für das Erstarken rechtsextremer, rassistischer und nationalister Haltungen und Bewegungen.

Die hard-core Unterstützer von Trump, insbesondere rechtsextreme Organisationen wie die Proud Boys, Oath Keepers und diverse Militias, die Trump durchaus auch rhetorisch befeuert hat, lehnen eine multiethnische Gesellschaft ab und sind zunehmend bereit, ihre weiße Vorherrschaft und ihre Privilegien auch mit Gewalt zu verteidigen. Nach einer von Bartels im Januar 2020 vorgenommenen Befragung von Republikanern stimmt die Mehrheit dem Satz zu, dass “the traditional American way of life is disappearing so fast that we may have to use force to save it.” Und mehr als 40% teilten die Ansicht, dass “a time will come when patriotic Americans have to take the law into their own hands.”[24] Auch innerhalb der Eliten wird, wenn Trump dereinst[25] das Weiße Haus verlässt, eine erstarktes Segment bleiben, das zu einem offen autoritären und rassistischen Staat tendiert.

Nun zu den Biden-Wähler*innen. Auch wenn ein Grossteil der Biden-Stimmen eher Nein-Stimmen zu Trump waren, stellte es zunächst einen Sieg und vor allem eine grosse Erleichterung für das progressive Amerika dar, dass die enorme Bedrohung, die vier weitere Jahre Trump bedeutet hätten, von vielen verstanden und abgelehnt wurde. Zwar hat das Biden-Harris-Team die popular vote mit sechs Millionen Stimmen Vorsprung gewonnen, aber die Sicherung der Mehrheit des Electoral College verdankt sich einer hauchdünnen Mehrheit in vier Staaten (Wisconsin, Georgia, Arizona, Nevada) von insgesamt 54.139 Stimmen (Auszählungsstand 13. November). Es hätte also auch leicht anders ausgehen können.[26] Dazu kommt, dass ein Grossteil der Biden-Wähler*innen ihre Stimme eher als Mittel zur Verhinderung einer Wiederwahl Trumps einsetzte. Die extreme Breite und Heterogenität und auch die Spannungen innerhalb dieser Wählerbasis birgt vielerlei Konfliktstoff und manifestierte sich sofort nach der Wahl in heftigen wechselseitigen Angriffen. Auch progressive Kommentator*innen sind sich uneins, sowohl was das “delikate Verhältnis” zwischen ”Corporate Democrats” und “Left Democrats”, als auch was die Handlungsmöglichkeiten einer Biden-Harris-Regierung angeht.

Kritische Beobachter wie Matt Taibbi sehen die Demokratische Partei im wesentlichen als eine “upper-class cosmopolitan party”, als Partei der professionellen urbanen Klassen, mit College-Abschluss, durchaus multi-ethnisch – aber nicht mehr als Partei der arbeitenden Klassen, schon gar nicht derjenigen, die in ländlichen und kleinstädtischen Gebieten des Südens und mittleren Westens leben.[27] Andere verknüpfen gerade mit der diversen, multi-ethnischen Zusammensetzung der Parteibasis grosse Hoffnungen für eine wachsende Attraktivität und Zugkraft, bauen dabei allerdings vor allem auf die progressiven Kandidat*innen, die auf lokaler Ebene und in manchen Einzelstaaten Erfolge einfahren konnten.[28]

Wie zuvor schon erwähnt, hat die Führung der Demokratischen Partei schnell für die Marginalisierung von Bernie Sanders gesorgt, und die Wahlkampfplattform enthielt keine seiner Forderungen. Überhaupt enthielt die Wahlplattform der Demokraten wenig Konkretes. Biden präsentierte sich primär als Anti-Trump und umwarb die Handvoll abtrünniger (anti-Trump) Republikaner, die für ihr sogenanntes Lincoln Projekt[29] $67 Millionen ausgaben.[30]

Während der Präsidentschaftskandidat so Offenheit nach rechts signalisierte, lenkte er – zusammen mit der Parteispitze – die Medien so durchgängig, dass kaum noch eine kritische Berichterstattung über ihn mehr möglich war.[31] Sobald die Wahlergebnisse vorlagen, attackierte die Parteiführung (allen voran der afroamerikanische House Majority Whip James Clyburn, South Carolina, und Abigail Spanberger, Abgeordnete von Virginia) den progressiven Flügel – in ihren Worten: “the hard left” – und die linken Kongressabgeordneten[32] als verantwortlich für die Verluste im Kongress.[33] Deren Eintreten für die Black Lives Matter-Bewegung sowie ihre Unterstützung für den Green New Deal seien für den Verlust der Kongress-Sitze verantwortlich. Vor allem die “Defund the police”-Forderung[34] hätte den Kongress-Kandidaten geschadet.

Dagegen verweisen die Vertreterinnen dieses Flügels nicht nur auf ihre Kandidat*innen in Swing-Bezirken, die trotz – oder gerade wegen – ihrer Unterstützung für den Green New Deal oder ‘Medicare for All’ ihre Wiederwahl gewonnen haben[35], sondern insbesondere auch auf die zahllosen, v.a. lokalen grassroots-Bewegungen, und auf Organisationen wie die Democratic Socialists und die Justice Democrats, die den Sieg der Demokraten letztlich ermöglicht haben. Alexandria Ocasio-Cortez warnte im Interview mit der NYT: “Falls die Partei glaubt, dass nachdem 94% von Detroit an Biden gingen, nachdem schwarze Organizer in Georgia die Wahlbeteiligung verdoppelt und verdreifacht haben, nachdem so viele lokale Aktivist*innen Philadelphia für uns mobilisiert haben, dass dies ein Signal dafür sei, dass Leute wie John Kasich uns die Wahl gewonnen haben sollen, dann kann ich gar nicht beschreiben, wie gefährlich das ist!”[36]

Die Dämonisierung der Black Lives Matter-Bewegung, progressiver lokaler Aktivist*innen, sowie des linken Parteiflügels erscheint, gerade nachdem die Partei im Wahlkampf wieder einmal vorgeführt hat, wie abgehoben sie von den Lebenswelten der grossen Masse der Amerikaner*innen und ihrer Basis ist, als besonders grotesk. Selbst in ihren Hochburgen, den grossen Städten, ignoriert sie die Interessen der verarmenden arbeitenden Klassen und die Forderungen der People of Color – sogar nach der massivsten sozialen Bewegung, die das Land seit den 1960ern gesehen hat, der Bewegung gegen rassistische Polizeigewalt. Ihr fehlt die Kompetenz oder der Wille oder beides, um mit den Menschen auf dem flachen Land, in Kleinstädten und ländlichen Gemeinden zu kommunizieren: religiös-orientierte Gemeinden sind ihnen genauso fremd wie sonstige, nicht kosmopolitisch orientierte soziale Gruppen. Sie betreiben keine denen der Konservativen vergleichbaren Infrastrukturen von lokalen Radiostationen oder Kirchengemeinden. Lokale Direktansprache (“deep canvassing”) von potentiellen Wähler*innen war natürlich wegen der Pandemie erschwert, wurde aber dennoch von (jungen, multi-ethnischen, immigrant rights, BLM, Gewerkschafts-) Aktivist*innen und Organizern vor Ort mit unbändiger Energie betrieben. Sie haben zahllose Nicht-Wähler*innen in Haustür-Gesprächen davon überzeugt, dass es sich lohne, für Biden-Harris zur Wahl zu gehen. Es spricht also einiges dafür, dass die Demokratische Partei ihrem Engagement den Wahlsieg verdankt. Aber nun signalisiert sie dieser Basis, dass ihre Arbeit und ihre Leistung nicht zählt und nicht gewürdigt wird, sondern sogar als schädlich für die Partei erachtet wird; und dass die Anliegen der von ihnen vertretenen Gruppen in der neuen Regierung keinen Platz finden werden.

Was die Handlungsmöglichkeiten einer Biden-Harris-Regierung angeht, sind die Kommentator*innen ebenfalls uneins. Da ich den (zahlreichen) hoffnungsvollen Erwartungen wenig abgewinnen kann, konzentriere ich mich auf die skeptischen.

Der sich abzeichnende Gridlock (also eine stets blockierende Republikanische Mehrheit im Senat) mag aus Sicht des Kapitals ideal sein (da weder Steuererhöhungen für Reiche noch schärfere Regulierung von Unternehmen zu befürchten sind). Aber für den von vielen Demokraten propagierten radikalen Politikwechsel bedeutet er wohl das Aus. Weder kann unter diesen Bedingungen das von den Demokraten geforderte große Konjunkturpaket noch eine effektive Polizeireform[37] Wirklichkeit werden.

Um den Folgen der Pandemie zu begegnen, hatten die Demokraten weitere Hilfen von bis zu $3000 Milliarden gefordert, um Unternehmen und Haushalte zu unterstützen und Investitionen zu finanzieren. Die Republikaner boten aber nur maximal 2000 Milliarden. In der Opposition werden die Republikaner sogar die Gefahren von Staatsdefiziten beschwören und so Ausgabenprogramme der Regierung der Demokraten verunmöglichen.

Laut Commerzbank stehen damit auch das angestrebte Infrastrukturprogramm und Bidens Pläne zum Schutz der Umwelt in den Sternen. “Besonders teure Vorhaben, vor allem der vom linken Flügel der Demokraten propagierte Green New Deal, dürften damit kaum Chancen auf Umsetzung haben.”[38]

Dem Erfolg einer angemessenen Polizeireform stehen schon die Profile der Präsidentschaftskandidaten selbst im Weg: Biden war Autor des berüchtigten Violent Crime Control and Law Enforcement Act von 1994, in dessen Folge vor allem überproportional viele Afroamerikaner*innen Opfer eines ungerechten Strafjustizsystems wurden. Kamala Harris hat sich in ihren Jahren als Attorney General von Kalifornien den Ruf einer Hardlinerin erworben, die kleine Vergehen hart verfolgt und die Polizei nicht für Gewaltexzesse zur Rechenschaft gezogen hat. Selbst wenn beide sich inzwischen geändert haben mögen, werden sie eine weitaus moderatere Variante von Polizeireform einbringen als von den George Floyd-Bewegungen gefordert. Und selbst eine solche moderate Variante wird es als Gesetzentwurf im Senat schwer haben, und auch als executive order hätte sie angesichts eines 6-3 konservativen Obersten Gerichts wenig Chancen.

Das alles deutet auf ein schwaches Biden-Harris Weißes Haus, dem vom Obersten Gericht die Hände gebunden sind. Weil es die progressive Parteibasis verraten hat und den Milliarden-Spendern aus Silicon Valley und Wall Street zu Diensten  ist, wird es der bevorstehenden Depression ohne den Rückenwind einer enthusiastischen Basis begegnen müsssen. Wenn die Demokratische Partei sich nicht gründlich ändert, wird ihr bei den Midterm-Wahlen 2022 eine sehr unschöne Rechnung präsentiert werden.


[1] Bei dieser Wahl wurden $ 1.51 Milliarden für die Biden Kampagne und $ 1.57 Milliarden für die Trump Kampagne gespendet (https://www.opensecrets.org/elections-overview/cost-of-election)

[2] Zum Beispiel mit der Entscheidung, Konzerne wie Bürger anzusehen, siehe Citizens United v. Federal Election Committee, 2010.

[3] PACs können unbegrenzte Geldmittel einsetzen, um eigene Anzeigen zu schalten oder sonstige Werbung für ihre Kandidat*innen zu betreiben.

[4] Jay Hancock, As Trump touts his ‘great’ COVID drugs, the pharma cash flows to Biden, not him. Kaiser Health News, 9.Oktober 2020, https://khn.org/news/trump-touts-covid-cure-regeneron-drug-pharma-political-contributions-strongly-benefit-biden/

[5] Kate Aronoff, The Biden Adviser Who Gives Climate Activists Nightmares, The Republic, September 15, 2020, https://newrepublic.com/article/159357/ernie-moniz-biden-energy-gives-climate-nightmares

[6] https://twitter.com/APIenergy/status/1325211486092845057?s=20

[7] https://www.uschamber.com/press-release/us-chamber-congratulates-president-elect-biden-pledges-help-break-through-gridlock

[8] Carter C. Price and Kathryn A. Edwards, Trends in Income from 1975 to 2018, September 2020 (https://www.rand.org/pubs/working_papers/WRA516-1.html)

[9] Menschen, die zwischen $ 10.000 und 30.000 verdienen (also fast ein Viertel der Bevölkerung, das zum Grossteil unter die Armutsgrenze fällt, welche aktuell bei $26.200 für eine vierköpfige Familie liegt), werden ab 2021 höhere Steuern entrichten müssen als vor dem sog. “tax cut”. Die Einkommensgruppe zwischen $ 20.000 und 30.000 wird (prä-Pandemie Schätzungen zufolge) circa $365 mehr an Steuern entrichten müssen. Bis 2027 wird sich die steuerzahlende Bevölkerung also grob in zwei Gruppen aufteilen: das Viertel, das Einkommen über $100.000 erzielt, wird von Steuerkürzungen profitieren, die restlichen drei Viertel, die weniger als $100.000 verdienen, nicht. Und diejenigen mit Jahreseinkommen über $1 Million, also die obersten 0,3%, erhielten schon für 2019 Steuererleichterungen von durchschnittlich $ 64.000 – also mehr als die durchschnittliche amerikanische Familie im Jahr verdient (Joseph Stiglitz, Republicans, not Biden, are about to raise your taxes, NYT, 31. Oktober 2020, https://www.nytimes.com/2020/10/31/opinion/republicans-biden-taxes.html).

[10] Vgl. NYT Editorial Board, The Jobs we need, sowie Kevin J. Delaney, American Workers deserve to live with dignity, NYT, 24. Juni 2020, https://www.nytimes.com/2020/06/24/opinion/sunday/income-wealth-inequality-america.html, https://www.nytimes.com/2020/06/24/opinion/sunday/inequality-work-america.html

[11] Diese Kritik an den von der Demokratischen Parteiführung beauftragten Beraterfirmen formulieren beispielsweise die lokal arbeitenden Organizer Chuck Rocha (Texas, Solidarity Strategies) und Jonathan Schmucker (Pennsylvania Stands up) im Interview mit Ryan Grim, Populism versus the Consulting Class, Deconstructed, 13. November 2020, https://theintercept.com/2020/11/13/deconstructed-populism-vs-consultants/

[12] Was Chuck Rocha, ebd., anschaulich beschreibt.

[13] Jodi Dean bei Doug Henwood, Behind the News, 5.November 2020, https://kpfa.org/program/behind-the-news/

[14] https://en.as.com/en/2020/11/10/latest_news/1605013158_639997.html

[15] https://edition.cnn.com/interactive/2020/11/politics/election-analysis-exit-polls-2016-2020/

[16] Siehe für erstere Sicht: Nicholas Carnes und Noam Lupu, It’s time to bust the myth: Most Trump voters were not working class, Washington Post, 5. Juni 2017, https://www.washingtonpost.com/news/monkey-cage/wp/2017/06/05/its-time-to-bust-the-myth-most-trump-voters-were-not-working-class/; für letztere bspw. Matt Taibbi, A dangerous moment for the Democratic Party, TheAnalysis.news, 10.11.2020, https://theanalysis.news/interviews/a-dangerous-moment-for-the-democratic-party-matt-taibbi/

[17] Larry M. Bartels, Ethnic antagonism erodes Republicans’ commitment to democracy, Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA, PNAS, vol. 117, no. 37, September 15, 2020, S. 22757: “One of the most politically salient features of the contemporary United States is the looming demographic transition from a majority-White to a “majority- minority” country.”

[18] Dabei gelang es Trump, die Ressentiments geschickt gegen die kulturellen Eliten/Demokraten zu kanalisieren, die in etwa den oberen 10% entsprechen, und nicht gegen die ökonomischen Eliten, die dem obersten 1% entsprechen.

[19] Stand der Auszählung am 18.11.2020: 79.201.648 Stimmen für Biden, 73.438.425 Stimmen für Trump, https://www.theguardian.com/us-news/ng-interactive/2020/nov/18/us-election-results-2020-joe-biden-defeats-donald-trump-to-win-presidency )

[20] Anne Nelson, Shadow Network. Media, Money, and the Secret Hub of the Radical Right. New York: Bloomsbury, 2019

[21] 1981 von konservativen christlichen Fundamentalisten und Verbündeten mit grossen Familienvermögen (wie z.B. die DeVos-Familie mit ihrem Amway-Vermögen, Ölmagnaten aus Texas und Oklahoma, die Koch Brothers) gegründete Mitgliederorganisation zur Stärkung und Verbreitung rechtsextremer Politik, der auch die Spitzen der National Rifle Organization, der Federalist Society, und des Christian Broadcasting Network angehören. Sie bedienen sich dazu eines eigenen Medienimperiums, um ihre libertären und sozial ultrakonservativen Positionen zu verbreiten und entsprechende Politiker heranzuzüchten. Wohl wissend, dass es bei den nationalen Wahlen nicht um die ‘popular vote’ sondern einzig und allein um das Electoral College geht, konzentrieren sie sich auf die Swing States und die Beeinflussung dortiger Wahlen durch Gerrymandering und Unterdrückung von Wahlverhalten, das den Liberalen zugute kommen könnte. Dazu nutzen sie auch systematisch die politische Aktivierung von Kirchengemeinden. Weil sie ihre Ziele durch die demographische Entwicklung gefährdet sehen, ist ihnen die Besetzung der Bundesgerichte mit (auf Lebenszeit berufenen) Richtern, die der Federalist Society angehören, besonders wichtig. Siehe Nelson, ebd.

[22] Bill Moyers interviewt Anne Nelson: Expert details the secretive ‘shadow network’ behind America’s radical right for the past 40 years, Alternet 23. Oktober 2020, https://www.alternet.org/2020/10/council-for-national-policy/

[23] Juan Gonzales, The Media has it wrong. Record Latinx turnout helped Biden. White voters failed Dems, Democracy Now! 5. November 2020, https://www.democracynow.org/2020/11/5/2020_election_ballots_electoral_college

[24] Larry M. Bartels, Ethnic antagonism erodes Republicans’ commitment to democracy, Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA, PNAS, vol. 117, no. 37, September 15, 2020.

[25] Noch weigert sich die Führung der Republikanischen Partei, das Wahlergebnis überhaupt anzuerkennen, behauptet noch Wochen nach der Wahl, das Ergebnis sei durch Betrug zustande gekommen und behindert den Übergang.

[26] Vor vier Jahren hatte Trump dank eines etwas grösseren Vorsprungs (77.744 Stimmen) in drei Staaten (Pennsylvania, Wisconsin, Michigan) die Wahl für sich entschieden. Alissa Fowers, Atthar Mirza, Armand E Emamdjomeh, The votes that won Joe Biden the presidency, Washington Post, 13.November 2020, https://www.washingtonpost.com/graphics/2020/elections/vote-margin-of-victory/

[27] https://theanalysis.news/interviews/a-dangerous-moment-for-the-democratic-party-matt-taibbi/

[28] So bspw. John Nicholls und andere in The Nation oder bei Jacobin publizierende Kommentatoren.

[29] Ehemalige und Trump-kritische Republikaner gründeten dies Projekt, um ihre Partei von dem Schaden, den Trump ihr zugefügt habe, zu heilen. Sie schalteten Trump-kritische Videoclips auf den von Republikanern bevorzugten sozialen Medien und TV-Sendern – und können wohl damit rechnen, in Bidens Kabinett mit vertreten zu sein.

[30] Mit offensichtlich bescheidenem Erfolg gemessen am Anteil der Republikaner, die dennoch Trump die Treue hielten: gaben 2016 noch 90% der Republikaner ihm ihre Stimme, so waren es diesmal sogar 93%.

[31] Bis hinein in die progressiven Medien reichte die Gängelung: beim von Glenn Greenwald gegründeten Intercept durfte Greenwald selbst nicht unzensiert über die Rolle Hunter Bidens in der Ukraine schreiben und hat folglich seinen Job dort gekündigt.

[32] Die linken Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez, Ilhan Omar, Rashida Tlaib, und Ayanna Pressley sind alle wieder gewählt worden und erhielten nun auch Verstärkung mit den Erfolgen von Cori Bush und Jamaal Bowman.

[33] David Sirota, Before the dust has settled, Corporate Democrats are already attacking AOC and the Left, Jacobin Magazine, 8. November 2020 (https://www.jacobinmag.com/2020/11/alexandria-ocasio-cortez-democrats-aoc-biden-trump)

[34] Die zunächst von der BLM-Bewegung erhobene Forderung, zumindest Teile der kommunalen Haushalte, die für Polizei, ihre Ausrüstung und repressive Massnahmen budgetiert sind, umzuverteilen auf soziale sowie wohnungs- und bildungsfördernde Massnahmen v.a. in den Stadtteilen, die von exzessiver Polizeigewalt betroffen sind, fand in breiten Kreisen Resonanz und wurde von einigen Kommunen auch aufgegriffen.

[35] Auch die Exit Polls von Fox News zeigten, dass eine staatliche Krankenversicherung wie ‘Medicare For All’, freier Zugang zum College, und eine grüne Wirtschaft äusserst populär bei den Wähler*innen sind.

[36] Astead W. Herndon, Alexandria Ocasio-Cortez on Biden’s Win, House Losses, and What’s Next for the Left, NYT, 7. November 2020, https://www.nytimes.com/2020/11/07/us/politics/aoc-biden-progressives.html. John Kasich ist ehemaliger republikanischer Gouverneur von Ohio, der für Biden Wahlkampf machte und ihn als “Zentristen” anpries, den moderate Republikaner unterstützen sollten. Ein solcher Appell hätte an Orten wie Nord-Michigan oder West-Omaha funktioniert, aber in Ohio holte Trump eine halbe Million mehr Stimmen als Biden. Das Übergangsteam hat Kasich dennoch auf seiner Liste für eine mögliche Kabinettsposition.

[37] Zak Cheney-Rice, Police reform is probably dead under Biden, New York Magazine, 8. November 2020, https://nymag.com/intelligencer/2020/11/2020-election-police-reform-is-probably-dead-under-biden.html

[38] Stephan Kaufmann, Gut für’s Geschäft. Das Kapital hofft auf einen schwachen Präsidenten, ND 7.11.2020, https://www.neues-deutschland.de/artikel/1144107.us-wirtschaft-gut-fuers-geschaeft.html