Uli Wesser
für AK System Change Frankfurt
Care-Krise und Wohnungs-Krise, Klima-Krise und Demokratie-Krise, Migrationskrise und Kriminalitäs-Krise, Krisen der Staatsfinanzen, multiple Krise und Polykrise: Es wird heute permanent eine Vielzahl von Krisen und dem erforderlichen Schutz davor, von produktiven wie destruktiven Disruptionen und nachhaltigen Resilienzen für sie festgestellt und proklamiert. Und zwar keineswegs nur von Gesellschaftskritikern, sondern gerade auch von ihren Profiteuren und vielen Apologeten. Diese Krisen und Disruptionen werden als maßgeblich für viele Konfliktfelder, Forderungen für Einschnitte, für diverse Maßnahmen und Initiativen sowie politische Vorhaben präsentiert. Damit agieren auch die meisten linken Initiativen, sind aber gewöhnlich nicht in der Lage, sich wirklich von herrschenden Praktiken und Erklärungen zu lösen. Ihre Projekte kapitulieren zu oft vor dieser Gegenwart, ihrer neuen Dynamik, ob mit oder ohne Krisen. Konstatieren wir deshalb noch eine weitere Krise, nämlich die der Linken, gewiss nicht zum ersten Mal in den letzten Jahren, zuletzt von Jens Wissel an diesem Ort. Das Weitere soll deshalb analytische und nicht nur deskriptive Bemerkungen zu einer Kritik der Linken bieten. Sie beleuchten die materiellen gesellschaftlichen Hintergründe ihrer politischen Haltungen und Engagements heute, die den allgemeinen Lebensweisen und deren neueren Bedingungen von Vergesellschaftung entspringen. Es zeigt allerdings nur wichtige Tendenzen auf, die viele andere Bewegungsformen zulassen. Aber es gilt, sie dringend zu hinterfragen.
Eine politische Linke möchten wir in einem engen und einem weiten Sinne verstehen. Erstere zielt auf eine umfassende soziale und politische Emanzipation von herrschenden gesellschaftlichen Verhältnissen. Sie werden durch ein Netz von Bedingungen der Kapitalverwertung und mit ihnen kompatiblen Herrschaftsarrangements kontrolliert und reproduziert, und lassen sich in einer neuen, sozialistischen Vergesellschaftung nur zusammen aufheben. Wenn in politischen Kämpfen je nur bestimmte Aspekte gesellschaftlicher Transformation eine Rolle spielen, dann betreffen all derartige Kämpfe die gesellschaftliche Linke im weiteren Sinne, deren Beteiligte nicht auf umfassende gesellschaftliche Transformation setzen müssen. Viele ihrer Kämpfe werden beherrscht von Aktualitäten und haben deshalb wenig Chancen gegen dicht vernetzte Verhältnisse herrschender Reproduktionen, die isolierte Attacken leicht abwehren können. In den letzten zwei, drei Jahrzehnten versickerte nämlich die globale Antiglobalisierungsbewegung, verschwanden die horizontal organisierten Bewegungen der Plätze, entblödeten sich parlamentarische Linke in Regierungsbeteiligungen, verpufften unzählige Rebellionen, Aufstände und Ein-Punkt-Bewegungen, und schließlich irrt sogar ein neuer Parteizentralismus als gespenstische Wiederkehr gescheiterter Aktivitäten der Vergangenheit umher. Sie ähneln sich darin, gesellschaftlichen Wechselfällen zu entspringen und bei fehlendem Erfolg oder neuen Anlässen wieder verschwinden – von lokalen Restbeständen abgesehen. Die linken Kräfte aufscheinender Befreiung zeigten sich letztlich als zu schwach; sie sind zu beziehungs- oder orientierungslos. Die sozialistische Linke muss sich über Ziele, Strategien und Kooperationen, die Kriterien für Wirksamkeit im politischen Raum verständigen, damit sie sich nicht selbst schwächt.
Im politischen Raum der Gesellschaft drücken sich die Verhältnisse unserer Lebensweisen aus. Deren herrschende Bedingungen, die Krisenumstände in ihnen und ihre widerstreitenden Mächte erschweren zunehmend Formierungen einer starken Linken. Im Gegenteil, Linke bewegen sich oft zwiespältig zwischen verschiedenen Kampagnen und Konflikten, lähmen sich selbst, ermüden schließlich. Es lohnt sich, den Hintergrund dessen genauer zu betrachten. Die Diagnose von Bedingungen politischer Bewegung beginnt bei der Erweiterung und Neujustierung der Verwertungs- und Regierungs-Techniken der letzten zwei, drei Jahrzehnte. Sie betreffen Räume und Zeiten, Relationen und Regulierungen der gesellschaftlichen Reproduktion unserer sozialen, ökonomischen, politischen Aktivitäten. Gemeinsam gewährleisten sie funktionierende Kapitalverwertung und mit ihnen kompatible Herrschaftsverhältnisse. Und daraus entspringen passende Bedingungen für die Praktiken der Lebensweisen. Solche Reproduktionsverhältnisse überschreiten den engeren Kreislauf der Kapitalreproduktion und die Regularien staatlicher Institutionen, heute besonders in logistischer Produktionsweise, der allgegenwärtigen Finanzialisierung und Digitalisierung. Mit ihnen kommen neue Produkte, Arbeitsteilungen und Arbeitsweisen, Umwälzungsstrategien und (Krisen-)Dynamiken. Sie betreffen kognitive, soziale, kulturelle, technische Einflüsse, Maßnahmen und Dispositive für alle Lebensweisen, besonders beherrschte Gruppierungen in ihnen. Sie funktionieren per direkten Vorgaben, per Habitus oder Kontextformation und können je nach sozialen Bereichen und Sphären variieren. Diese Effekte überschreiten geläufige Verwertungs- und Herrschaftsbedingungen der Moderne in Breite wie Tiefe der Lebensverhältnisse und betreffen den Charakter der Konflikte, die daraus resultieren.
Kapitalistische und staatliche Reproduktionsverhältnisse wirken auf die gewöhnlichen Lebensweisen ihrer Unterworfenen, die sich in Sphären der Vergesellschaftung differenzieren lassen. Sie unterscheiden je eigene Praktiken und Techniken, implizite und explizite Normen, die charakteristische, oft institutionalisierte Zusammenhänge bilden. Sphären betreffen die verschiedenen Arbeitsverhältnisse oder das Konsumleben, die sozialen Reproduktionen wie Versorgung, Pflege und Bildung und die staatlichen Vorgaben für störungsfreie Lebensabläufe. Sie unterliegen den Zwängen der Herrschaftsarrangements, aber auch ihren Ambivalenzen, Irritationen und Widersprüchen, sind jedoch nicht streng funktional separiert. In diesen Verhältnissen, ihren Praktiken erlangen neben den Dispositiven und Direktiven (neue) charakteristische Konsumversprechen und Leistungsanforderungen Bedeutung. Sie fungieren als Rahmen für Gerechtigkeitsurteile im Alltagsleben, aber können mit ihren Widersprüchen und enttäuschenden Erfahrungen sogar Widerspenstigkeit transportieren. Sie alle zusammen wirken hegemonial, können politisch anstoßen oder resignieren lassen, gerade in gesellschaftlichen Dynamiken heute. Lebensweisen erzeugen jeweils selbst Beiträge zur größeren gesellschaftlichen Reproduktion und ihren Bedingungen, die sich wieder in andere eingliedern.
Wenn wir politische Engagements mit Lebensweisen untersuchen, sind Klassen und Subjektivierungen wichtig. Soziale (Klassen-)Formationen, ihre Spaltungen und Widersprüche rund um Lohnarbeit differenzieren sich zunehmend, mit eigenen Erfolgserwartungen, Zwängen und Konsumbegehren, begleitet von Erfolg und Enttäuschung. Subjektivierungen formen lebensweltliche Motivation und Rezeption und variieren ebenfalls nach Klassenlagen. Sie sind neben den allgemeinen Reproduktionsbedingungen besonders relevant für Potentiale und Probleme in den Entwicklungen des Politischen – und damit auch für sozialistische Bewegung. Neu zugeschnittene Normalisierungen und Techniken, Aktivierungen und Konkurrenzen wirken in den letzten Jahrzehnten quer durch alle Lebensweisen, sind durchzogen mit kulturellen und geschlechtlichen Identitätszuschreibungen, maßgeblich für Subjektivierungen. Zusammengefasst heißt das: Es gibt allgemeine Reproduktionsbedingungen, die den gesellschaftlichen Raum, etwa die kognitiven Verhältnisse (Wahrnehmung, Relevanz, Urteilsformen bis Desorientierungen) formen; und es gibt solche, die habituell, dispositiv gesellschaftliche Gruppen oder Sphären prägen, was ihre Subjektivierungen einschließt. Sie sind wichtig für die Form alltäglicher Interessen, Haltungen, Stimmungen, die zusammen mit jeweiligen Erfahrungen das Politische, dessen Widerstände wie Einvernehmen antreiben, die ebenfalls solchen Bedingungen folgen.
Zur Verbesserung linker Orientierung nun ein schärferer Blick auf das Politische. Gesellschaftliche Verhältnisse haben kollektive Potentiale ebenso wie Pathologien, die wiederum eigene Bedingungen für politische Wahrnehmungen, Haltungen und Konflikte transportieren. Das Politische zielt nun grundsätzlich auf die Regulierungsweisen dieser ganzen Verhältnisse. Deren markante Konstitutionen, Spaltungen und Streitigkeiten setzen sich in verschiedenen sozialen und kulturellen Wahrnehmungen und ihren Präsentationen in Öffentlichkeiten bis in den politischen Raum hinein fort. Der Bodensatz des Politischen sind Stimmungen und Haltungen im Alltag, mit daran anschließenden Praktiken, die politisch aufgeladen sind und bis zu Streit in der Öffentlichkeit reichen – eben über engere Sphären von Lebensweisen hinaus. Schon in diesem Gewirr von Haltungen und Alltagspraktiken, ihren Spannungen und diffusen politischen Interpretationen muss sich die Linke besser zurechtfinden. Sie tangieren die einfachen Wertehorizonte und Widersinnigkeiten, politische Alltagsurteile und Alltagskulturen, ihre Krisen, Widerstände und Konflikte, schließlich deren öffentliche Repräsentationen und ihre Rezeption. Und dabei haben wir die Ebene institutionalisierter Politiken noch nicht erreicht, sondern befinden uns eher noch in dem „Magma“, den Wirbeln gesellschaftlichen Lebens, aus dem sich politische Bewegungen bedienen. Zusammengefasst für bessere Orientierungsfähigkeit der Linken heißt das: Welche neuen Stimmungen und Haltungen, Spannungen und Umwälzungen werden hier politisch signifikanter und welche verlieren eher an Bedeutung. Es gilt zu eruieren, in welcher Weise sie sich ausdrücken und den Raum des Politischen, seine Ebenen und ihre Relationen mitgestalten. Bemerkenswert ist zudem, dass sich politische Haltungen und Kräfte heute mit ambivalenteren Einstellungen in fragmentierten Klassenverhältnissen formieren, die auch aus neuem Tempo und Unsichtbarkeiten im Alltag folgen. Dementsprechend resultiert in Wahrnehmungen Lohnabhängiger von Ungerechtigkeiten bisweilen Fragwürdiges. Es kompensiert schlechte Erfahrungen, falsche Versprechen, empfundene Unabänderlichkeit der Verhältnisse, so dass zum Beispiel vermeintlich Leistungsunwillige in prekären Milieus zu den eigentlich Schuldigen werden. Die Folge sind weitere Klassenspaltungen, mit mehr Identitätspaltungen statt zusammenhängenden Kulturen. Eine weitere Bürde für strategische Orientierungen der Linken. Genau deshalb ist es wichtig, ihre materiellen, die ökonomischen und herrschaftlichen Bedingungen besser auszuloten.
Nun zur Politik im engeren Sinne: sie betrifft heute existierende oder sich formierende politische Initiativen, wichtige kollektive Konflikte, Bewegungen und ihre Institutionalisierungen, und sie zielt auf Reproduktionsverhältnisse der Gesellschaft im Ganzen. Viele Politiken entspringen letztlich auch verschiedenen Bedingungen der Lebensweisen, ihren Klassenverhältnissen und sozialen Milieus sowie aktuellen Stimmungen und Spannungen. Insbesondere folgen sie gesellschaftlichen Problematiken, die öffentlich zur Disposition stehen. Dieses Umfeld ist für eine sozialistische Bewegung, ihre Kräfte und politischen Strategien relevant. Allerdings gilt zu beachten: Auch diese Ebene des Politischen als Politik ist neben den Bedingungen gesellschaftlicher Sphären abhängig von eigenen Reproduktionsbedingungen oder direkten Einflüssen von Mächten, betreffend Modalitäten von politischer Formation, existierende Regierungsweisen und Kulturen der Öffentlichkeit. Verhältnisse des Politischen aber wirken, wie auch die Lebensverhältnisse der sozialen Klassen, zurück in die Bedingungen der Kapital- und Staats-Regime und ihre weiteren Herrschaftskomponenten. Solche Rückkopplungen können einseitige politische Verstärkungen oder Blockierungen in Mikro- und Makro-Stukturen von Vergesellschaftung entfalten. Es sei an Diskurse, Konflikte und Maßnahmen rund um Migration erinnert, die sich durch alle genannten Ebenen ziehen. Und zu dem ganzen Korpus von Bedingungen gesellen sich noch die Spannungen in den ökonomischen und staatlichen Regimen, ihren Organisationen selbst, die in der Politik eigene Kräfte bilden, darin Anstöße und Selbstverstärkungen aufgreifen oder abwehren können. Solche erweiterten politischen Bedingungen bauen die Hindernisse für linke Orientierung noch höher.
Diese Gemengelage der Lebensweisen und des Politischen bilden zusammen den materialistischen gesellschaftlichen Boden für viele Probleme der Linken. Auf ihn schauen wir jetzt etwas genauer. Darin finden sich beispielsweise globalisierte Modalitäten der kapitalistischen Betriebe, deren Finanzialisierung und digitalisierte Arbeitsverhältnisse. Sie bieten ein neues Arsenal für Klassenkämpfe, das mit Flexibilisierung und Automatisierung, Abwanderung und Auslagerung laufend zum Einsatz kommt. Entsprechend ändern sich Klassenlagen und soziokulturelle Verhältnisse. Um diese Modalitäten herum entstehen zunehmend komplexe und unsichtbare Macht- und Technikstrukturen. Sie durchdringen die Lebensweisen und rufen nach passenden Ordnungen, ein neuer Schritt reeller Subsumption, in der Sprache marxscher Verwertungsanalyse. Dazu gesellen sich immer strengere staatliche Maßnahmen, begleitet von politischen wie ökonomischen Delegitimierungen gerade überflüssiger Institutionen. Entsprechend intensivere Markt-Subjektivierungen in allen Lebenslagen verändern Bewertungen für alltägliche Erwartungen, Konkurrenzen und Erfahrungen. Diverse „Geschäftsmodelle“ werden zu einer weiteren Schablone für Subjektivierungen wie für Organisations-Konzepte: von der Ich-AG bis zum Diversity Manager. Resonanzboden all dessen in der Gesellschaft sind die Digitalisierung und ihre Umbrüche, inklusive eines Umbaus der Öffentlichkeiten. Die marketingbefeuerte Technologie-Faszination wirkt individualisierend, prägt neue Macht- und Verwertungsprozesse in Betrieben und treibt das Begehren für endlos viele Produkte in der Konsumsphäre; gleichzeitig normalisiert sie bürokratisches Verhalten mit Maschinengebrauch in allen Lebenslagen. Solche Bedingungen prägen auch das Geschehen von Sozialrathäusern über Kitas bis zu Kulturinitiativen, formen Sinne und Aktivitäten der Leute. Damit sind wir bei der Orientierung im Politischen, denn Aktivitäten und Sinne hängen von ökonomischen, kulturellen und politischen Verhältnissen, ihren Konjunkturen ab: eine Herausforderung gerade für die Wertekriterien der Beherrschten, etwa für das, was veränderbar, was wünschenswert erscheint. Natürlich gehören die vielen Krisennarrative zur Formbildung alltäglicher Wahrnehmung. Sie sind eingebettet in typische Einstellungen über Zukunft und die eigenen Stellung darin, was kulturelle Wirksamkeit entfaltet und damit herrschende Institutionen und Methoden mit ihren ideologischen Gerüsten stützt. Diese Zukunftseinstellungen reichen von Indifferenz und Zynismus, über (Selbst-) Täuschung zum menschlichen oder maschinellen Techno-Gott, also von Elon Musk bis KI, und kommen schließlich bei der Apokalypse an: Alle versprechen sie ihren je eigenen Modus individueller Rettung im unabwendbaren Geschehen. Diese ganzen und noch weitere Reproduktionsbedingungen können je nach Umständen zusammenwirken und sich trotzdem widersprüchlich in den politischen Arenen entfalten – eine prekäre gesellschaftliche und politische Dynamik besonderer Art.
Dieser Befund übersteigt das Konzept der objektiver Interessen als Kriterium politischer Orientierung und wir verwenden ihn jetzt für die Linke, das Verständnis ihrer Gruppen und deren Strategien, des Umgangs von Aktivisten darin und den Schwierigkeiten mit typischen Haltungen in Lebensweisen. Damit gemeint sind Vorgabemuster des Politischen, nicht direkte gesellschaftliche Bestimmungen für politische Bewegung. Zuerst zu den Gruppen: Reproduktionsbedingungen artikulieren sich etwa in der Formation fundamentaler Haltungen von Gruppierungen, ihrer politischen Engführungen. Den Antifas stehen Antiimperialismen gegenüber, dem Kampf für oder gegen Demokratie, mit einer linken Partei und ihren Schwierigkeiten gegenüber Bewegungen, der Priorität von Arbeit gegenüber Identität, den Prekären-Initiativen und der akademischen Kritik, den neuen MLern kontra Autonomen und andere mehr. Diese Separierungen rühren auch aus veränderten Vergesellschaftungen der letzten Jahrzehnte. Greifbar scheint für viele Streitigkeiten zunächst, dass sie oft vom herrschenden Eventcharakter, den medialen Hypes, ihren Krisenbedrohungen getriggert sind. Finanzkrise und das Klimachaos, Covid und die Kriege als aktuelle, immer bedrohlichere Geschehen werden mit mehr oder weniger geschlossenen Konzepten etwa von Postkolonialismus und Antisemitismus, zu Rassismus, Faschismus und Imperialismus adressiert, die nicht selten Tiefe vermissen lassen. Zudem können Reproduktionsbedingungen und ihre instrumentellen Dispositive zum Beispiel die Praktiken enger Projektorientierung betreffen, die zu leichtfüßig weitere Kontexte ausblenden. Sie optimieren nur einzelne Kampagnen, setzen dabei zu sehr auf Aufmerksamkeit, leichte Mobilisierung und Medienresonanz. Den Skandalisierungen und eingängigen Forderungen folgen Interessierte allerdings genauso leicht wie sie das Interesse verlieren: Bewegungen dünnen deshalb schnell aus. Statt strategischen Konzepten gibt es oft zu schnell Bündnisse gegen vereinfachte Gegner („alle gemeinsam gegen…“). Oder gar die Reinheit einer Gruppe wird leitend, oft mit abstraktem Appell ans Proletariat, die Wahrheit der Indigenen oder gleich Gaia. Es spitzt sich zu in Konkurrenzen zwischen stereotypisierten Gruppen und Freund-/ Feindschemata mit Leitschablonen, gegenwärtig gerne Antifas gegen Postkoloniale. Sie folgen dabei reaktiv den Maßgaben digitalisierter Wahrnehmung und Polaritäten, verstummen aber schnell in deren Strudeln – nachdem sie nicht selten affirmativ für staatliche Instanzen wirkten. Es sind auch Phänomene dieser Art, welche eine politische Linke in der Gegenwart immer unglaubwürdiger machen. Kommen wir zu den Modalitäten persönlicher Beteiligung in solchen Gruppen. Sie nähern sich gerne Schemata aus der Arbeits- und kommodifizierten Lebenswelt, ihren Erfolgsorientierungen und Sprechweisen, wenn sie nicht diesen direkt folgen wie im „akademischen Aktivismus“ mit Terminvorgaben und Panels. Mehr noch: Gerade die kapitalistische Dynamik, beschleunigte Wechsel von Betriebsweisen (erinnert sei ans betriebswirtschaftliche „Change-Management“) wirken prima gegen subalterne Kulturen und gesellschaftliche Verankerung, den Boden kollektiver Widerspenstigkeit im Politischen. Die Teilnahmemodi in (linken) Initiativen folgen üblicher Flüchtigkeit, nicht selten getrieben wie im Zeit-Management. Darin finden sich zudem Selbstverständnisse solcher Gruppen, deren Praktiken vom bloßen Rezipieren klassischer Theorien und der Flaschenpost einerseits bis hin zum Verzicht auf alle weitergehenden Diagnosen und Diskurse andererseits reichen, um sich auf aktuelle Mobilisierung zu konzentrieren. Manche versuchen damit Alleinstellungsmerkmale in der politischen Arena der Linken zu verbessern und sich so „vom Wettbewerb abzuheben“. Davon angezogene Aktivisten inszenieren nicht selten elitäre Haltungen, verwandt den Modalitäten auf Märkten, unterfüttert mit Idealen von Authentizität und Kompetenz. Schließlich scheinen sich in emanzipatorischen Bewegungen sogar herrschende Zukunftserwartungen passend gebrauchen zu lassen: sei es mit Gleichgültigkeit gegenüber strategischen Horizonten, dem Zynismus gegenüber fragmentierter Konkurrenz, mit Selbsttäuschungen über Siege von Befreiungskräften oder theoretische Erklärungen, der Huldigung eines technologischen Luxus-Kommunismus oder Rettung vor Öko-Apokalypse als Wegweiser in die gerechte Gesellschaft.
Nun zum strategischen Verständnis in der Linken und ihrer Bindung in Lebensweisen. Faktisch kommen in vielen Kämpfen nur einzelne Momente gesellschaftlicher Aufhebung in Anschlag. Sie sehen weitgehend von größeren Vernetzungen ab, betreffen vielleicht Umstände des Wohnens oder Lebens, der Arbeitsverhältnisse oder Naturverwertungen, zielen gegen spezifische Aspekte politischer und ökonomischer Maßnahmen. Letztere sind jedoch im ganzen Korpus der (Re-)Produktionen, dessen Effekten und Ideen dicht vernetzt. Dieser drängt isolierte Kämpfe weit ab von substantieller Transformation, was oft deren Niederlage beschleunigt. Außerdem kann sich mit zu einfachen Forderungen die gesteigerte Ambivalenz von Leitbegriffen rächen, wenn z. B. Ansprüche von Freiheit, Regierungskritik, Antikapitalismus in andere politische Netze (siehe reaktionäre NGO´s, soziale Medien und Initiativen) eingebunden und in der Öffentlichkeit anziehender werden. Leute verschiedener Milieus und Klassen kann das in ihren eingespielten Gerechtigkeitsschemata ansprechen, auch wenn dann eine politische Orientierung die Richtung wechselt. Solche Schwierigkeiten treffen auch die ArbeiterInnenklasse und ihr Aufhebungspotential. Auch deren Gerechtigkeitsschemata in Lebensweisen und die verschiedenen Ziele in Kämpfen funktionieren ambivalent, gar widersprüchlich: einerseits für bessere Lohnarbeitsverhältnisse, die Kapitalherrschaft bejahen, andererseits der Zug zur Aufhebung eben dieser Lohnarbeit. Solch mehrdeutige Charaktere können überraschend in reaktionären Attraktionen politisch sichtbar werden. Dieser Befund verweist auf Probleme der Linken, die entstehen, wenn sie sich zu pragmatisch auf einzelne politische Momente unter Absehen strategischer Einbindung konzentrieren.
Auch wenn Phänomene des politischen Raums der Linken mit seinen Reproduktionsbedingungen hier noch vereinfacht skizziert werden, zeigt es ihren politischen Pfad, der sich schlängelt zwischen Resignation und Übersteigerung, Erlahmung und Kooptation. In kapitalistischen Zentren sind die Verwertungs- und Reproduktionsnetze immer ausgedehnter und gleichzeitig engmaschiger, die Lebensweisen immer mehr der reellen Subsumtion unterworfen. Entsprechend sind soziale und politische Kämpfe genauso wie die Klassensegmente immer diffuser und heterogener, und gleiches folgt für Potentiale gesellschaftlicher Transformation: Sie sind fragmentiert und können nur durch geschicktes Vernähen gesellschaftlich relevante Kraft erlangen. Parallel dazu schwächt sich das immer ambivalentere linke Gravitationsfeldes, die linken Anziehungskräfte ab. Es geschieht mit Kompositionen neuer Reproduktionsbedingungen in Lebensweisen, ihren heterogenen Erfahrungen und Subjektivierungen, situiert im Kontext veränderter politischer Kräfte. Ausserdem verschwanden widerständige, verdeckte Praktiken bis Infrapolitiken weitgehend, nicht zuletzt mit der Erosion von ArbeiterInnenkulturen. Dazu gehören immer fragilere Gerechtigkeitsschemata der Lohnabhängigen, die gesellschaftlichen Vereinzelungen folgen und mit entsprechenden Haltungen solidarisches Verhalten weiter erschweren. Auf diese Weise reproduzieren die Bedingungen der Lebensweisen und des Politischen herrschende Mechanismen, fördern linke Isolation und Desorientierung zwischen Liberalismus und Reaktion weiter.
Allerdings liegt der Einwand nahe, dass die Geschichte sozialistischer, kommunistischer und anarchistischer Bewegungen schon lange Phänomene niedergehender Alltagswiderstände, von Streit und Spaltung aufweist, dass daher die Referenz auf neue Reproduktionsbedingungen von Herrschaft und Ökonomie gar nicht viel biete. Der Einwand unterschätzt aber veränderte Charaktere der Bewegungen, ihrer Konzepte und Verhaltensweisen ebenso wie die anderen Lebensweisen, soziopolitischen Räume und Arenen, in denen sie agieren. Zu Zeiten des klassischen Liberalismus und des darauf folgenden Fordismus formten sich mit strengen Regimen und Arbeitsbedingungen in ArbeiterInnenbewegung ganz andere Kulturen, die als Resonanzboden von Widerstand und Mobilisierung für Gesellschaftstransformation wirkten. Sie blieben in ihrer Orientierung recht stabil in schwierigem Umfeld, auch wenn sie natürlich nicht völlig immun waren. Darauf aufsetzend bildeten sich disziplinierte politische Gruppen und Parteien, eigene Bildungseinrichtungen, Medien und Freizeitvereine, eine tiefer gestaffelte Widerstandskultur, die wenig mit heutigem Projekthopping, der Flüchtigkeit des Organisierens und der Kultur der Aufmerksamkeit zu tun hatte. Natürlich gab es ebenfalls herrschende Vorgaben, Zwänge und Dispositive in ökonomischen und staatlichen Institutionen, die z. B. mit finanziellen Anreizen, Strafen, Machtversprechen, gezielten Infiltrationen, kollektiven Desorientierungen und Erfahrungen funktionierten – derartige Mechanismen wirken heute vielerorts immer noch. Tiefer verankerte linke Widerstandskulturen sind heute jedoch weitgehend verschwunden und neue Reproduktionsbedingungen setzen sich wirkungsvoll in nervösen Alltagswelten durch, sie sind temporeicher, klandestiner, „immersiver“, agieren seltener durch direkten Zwang, meist aber wirkungsvoller.
Vor diesem weiten Hintergrund macht sich immer mehr ein gewisser Fatalismus breit, der schon länger als die „Melancholie der Linken“ auftrat, begleitet von einem eigenen Missmut. Für besseres Verständnis dieser Situation noch einmal unsere Thesen und Fragestellungen komprimiert: In Lebensweisen haben Reproduktionsdispositive, Klassenspaltungen und Subjektivierungen neue soziale, kulturelle und politische Effekte, veränderte Erfahrungen und politisch mehrdeutige Gerechtigkeitsschemata. Sie betreffen das politische Agieren der Linken auf verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen. Vieles spricht gegenwärtig dafür, dass erodierte Kulturen, systemische Desorientierungen und Wettbewerbsanreize Vereinzelungen und Verkehrungen linker Gruppen verstärken. Sie spiegeln geradezu die gesteigerten Klassenspaltungen in allen Sphären der Lebensweisen. Dazu kommt eine grundsätzliche strategische Klemme des politischen Konzepts der Linken, eine nagende Mehrdeutigkeit: Entweder durch gesellschaftliche Aufhebung als dem großen Bruch ein Chaos in der ganzen gesellschaftlichen Reproduktion zu erzeugen, das politisch reaktionär nutzbar ist, stattdessen mit wütenden, sich wiederholenden Revolten als kurzsichtige Fantasten zu erscheinen oder sich schließlich doch mit Reformismus als letztlich leicht einbindbar zufrieden zu geben. Daher rührt eine wichtige Frage für praktische Strategien der Linken auf dem Hintergrund des Präsentierten: Wie kann eigentlich die politische Kluft einer heterogenen Linken zwischen verengter Gegenwartsfixierung, Ein-Punkt-Interventionen oder linkem Populismus zum einen und dem Verharren in der Erwartung des großen Bruchs, dem einen Auslöser für den Aufstand, der erlösenden Strategie fürs Ganze zum anderen dialektisch überwunden werden? Die Problematik ist deshalb praktisch und strategisch relevant, weil Einseitigkeiten und Blockaden ihre Anteile an den Schwächen gesellschaftstransformativer Bewegung, gegen wirkungsvolles Navigieren im politischen Raum haben. Dazu gilt es, die Reproduktionsbedingungen und Effekte auf ihren verschiedenen Ebenen, insbesondere im Politischen noch weiter zu untersuchen und geschickteren Umgang damit zu erlernen.
Wenn wir behaupten, dass Phänomene erschöpfter, desorientierter Bewegungen der Linken Kapitulationen vor kapitalistischem Realismus markieren, dass „es einfacher ist, sich das Ende der Welt vorzustellen, als das Ende des Kapitalismus“, dann sollten wir im politischen Raum nachsehen, wo solche Reproduktionsbedingungen und soziale Ambivalenzen ausgenutzt werden. Sie kommen gut zur Geltung in Haltungen des Liberalen gegen das Reaktionäre und ihren Pseudo-Emanzipationen. Beide sind Varianten politischer Absicherung gesellschaftlicher Kapitalreproduktion und deren Zukunft. Im politischen Feld sind das besonders Modalitäten reaktionärer Opposition. Kapitalistische Krisen und zunehmende Repression, deren Verhältnisse rasant, unsichtbar und vernetzt sind, sich leichter als politisches Chaos repräsentieren. Immer stärkere autoritäre Bewegungen agieren kontra eine symbolische Linke, können erheblich mobilisieren und bieten mehr Orientierung und Selbstwirksamkeit quer durch die Klassen. Auch wenn sie letztlich eher Fantasmen sind. Sie gebrauchen gerne Mehrdeutigkeiten, zum Beispiel mit einer „Freiheit“ zwischen freier Nation und freiem Konsum für legitime Bürger. Enttäuschte Erwartungen, Resignationen oder Gefühle der Missachtung triggern wohlklingende Angebote, die gerade nicht mit dem Kapitalbetrieb brechen möchten. Im Gegenteil, sie bieten neue politische Arrangements der Reproduktion, die mit den vielen Problemen vermeintlich besser zurechtkommen. Sie versuchen, einen Fächer reaktionärer Konzepte als Kultur von unten gegen links oben zu installieren, begleitet von einer Pseudo-Infrapolitik, in der das Internet eine prominente Rolle spielt. Sie versprechen, dass unter einem neuen politischen Schirm, der starken Nation und Bekämpfung sozialer Schädlinge, in harten Hierarchien „die Richtigen“ im Lande besser bedient werden. Das Fehlen der Widerstandskultur lohnarbeitender Klassen und die diversen linken Spaltungen fördern reaktionäre Kräfte, deren gesellschaftliche Herrschaftsreproduktion. Eine Linke muss sich fragen: Wie genau funktionieren die neuen Reproduktionsbedingungen und Klassenspaltungen, ihre Subjektivierungen und Erfahrungen. Und wie sie gerade als autoritärer Pseudo-Widerstand ihre Statur gewinnen und dadurch die Linke schwächen. Die liberal-demokratische Haltung tritt als schützender Gegenpol auf, erfüllt allerdings nur eine andere politische Reproduktionsstrategie herrschender Verhältnisse, so dass besonders im heutigen Interregnum ein Pingpong-Spiel zwischen diesen starken politischen Kräften die Linke noch weiter lähmt.
In linken Aktivitäten entschwindet der Horizont echter gesellschaftlicher Transformation, eher bietet Kapitulation vor der Gegenwart einen ökonomischen wie kulturellen Anker des gegenwärtigen Kapitalismus. Das ganze Unbill vermehrt sich im Zusammenspiel der Reproduktionsbedingungen und deren kultureller wie politischer Entfaltung, während die Linke einer Gesellschaftsumwälzung immer weiter zerbröselt: Wofür möchte sie sich denn wirklich noch versammeln, zusammen kämpfen und dafür begeistern? Ein reflexiver, von eigenen Engführungen gelöster und damit kollektiv erweiterter Umgang mit diesen Befunden inklusive ihrer Feinzeichnung, mit den Quellen und Schwierigkeiten linker Projekte und Konzepte – also eine gewisse Distanzierung von eigenen und eingespielten Schemata – könnte ein Stück weit helfen, diese Verhältnisse zu überwinden. Das wäre das gleiche wie Erwartungen der Linken, dass sich viele Leute von der engen Bindung an ihre direkten Erfahrungen lösen, und ihre Perspektive auf gesellschaftliche Hintergründe erweitern.
Die Geschichte systemtransformierender Linken könnte als Tragödie daherkommen, in der sie sich immer wieder dem Schicksal der unabänderlichen Bedingungen stellen musste, und die jetzt drohen, sie vollends in den Abgrund zu stürzen. Aber die mehrschichtigen Reproduktionsbedingungen sind nicht undurchdringlich sondern durchaus fadenscheinig. Es gibt genügend Bereitschaften und Gelegenheiten zu Widerstand oder Exit, von Unruhe und Rebellion, für transformierende Konzepte. Sie existieren verstreut unter spannungsgeladenen Verhältnissen, die in ihren Mehrdeutigkeiten immer noch emanzipatorische Potenziale aufweisen. Auch an Beweglichkeit und Ideen zu einzelnen Problematiken mangelt es nicht, unzählige Revolten der letzten Jahre belegen das. Wenn aber von neuen Beziehungsweisen und Assoziationen, genuinen Strategien des Umbruchs und ihre Zusammenhänge die Rede ist, wird die Luft dünner. Dazu braucht es Attraktivität und Verlässlichkeit, kollektive Kontinuität und Lernfähigkeit, die vereinzelte Projekte und Gruppen überschreitet. Mit umfassenderen Transformationskonzepten kann vielleicht auch eine bessere Immunität gegen Herrschaftsdispositionen und die Dynamik ihrer Effekte gewonnen, die im Einüben eigener, anderer Bedingungender Vergesellschaftung laufend erneuert werden. Wir sollten begreifen, dass die gegenwärtigen Reproduktionsverhältnisse mit Tempo und Unmittelbarkeit, mit Vernetzung und Unsichtbarkeit gerade die Kritik und Selbstreflexion massiv erschwert – nicht zuletzt Anker der reaktionären Stärke und linken Schwäche: es heißt, listiger damit umzugehen.
Zuletzt einige Anstöße für die Zusammenführung und Reproduktion verborgener Kräfte der Beherrschten, die solcher List helfen: etwa Zusammenhänge existierender Reproduktionskämpfe in verschiedenen Sphären der Lebensweisen besser zu rezipieren und praktisch zu verbinden (in Wohnen, Heilen, Versorgen, Lernen, Helfen, Pflegen, Zusammenkommen, dem Verdauen der Lohnarbeit – es sei an das Konzept von Sozialzentren erinnert). Derartiges impliziert proto-politische Aktivitäten, die Grenzen der Reproduktionszwänge überschreiten und schließlich dazu führen sollten, dass es in Lebensweisen wieder neue Sprechweisen und Widerstandskulturen mit eigenen Haltungen aufkommen, die an deren heterogene Tätigkeiten und Erfahrungen gebunden sind und im politischen Raum neue Erfahrungen bringen. Zugleich braucht es dazu einen praktischen und konzeptionellen Schirm, der Problematiken von Destitution und Neukonstitution vergesellschaftender Tätigkeiten für institutionelle Umbrüche abdeckt, und sich den Dialektiken und Kipppunkten gesellschaftlicher Transformation stellt. Im Griff dieses Schirms finden sich gesellschaftliche Arbeitsbedingungen, in den Schirmspeichen die Reproduktionsbedingungen der anderen Sphären von Lebensweisen – zu den anderen Teilen gibt es noch viel zu verhandeln. Erst gemeinsame Überschreitungen dieser Art können die nötige Attraktivität bieten, um im politischen Raum als gesellschaftstransformative Kraft bestehen zu können.
Dazu bietet es sich auch an, solche Thesen über die Schwierigkeiten linker Orientierung, ihre Ursachen und Folgen kollektiv zu besprechen. Es geht um Diskurse darüber, ob und wie es einerseits eine geteilte Perspektive des politischen Horizonts geben kann, der besser mit den Bedingungen in den politischen Arenen zurechtkommt und einen Sockel mit weiter reichenden, zusammenhängenden Konzepten gesellschaftlicher Transformation einschließt – die Frage nach einer Schirmkonstruktion. Mit dieser Hilfe könnte vielleicht die Vielfalt der kleinen oder kurzlebigen Initiativen, die zwar verletzlich aber oft kreativ sind, besser soziale und konzeptionelle Synergie erlangen, könnte sich die Substanz und Kraft einer emanzipatorischen Linken stärken. Ihre politischen Streitfragen sollten sich produktiv entwickeln. Und andererseits natürlich die (selbst distanzierende, reflexive) Frage danach, in welchem Maße diese eben präsentierten Diagnosen, Überlegungen plausibel sind und tatsächlich Relevanz für emanzipatorische politische Strategien und Konzepte entfalten können. Dazu gehört es, diese besser mit heterogenen Erfahrungen, Fragmentierungen und Potentialen subalterner Klassen zu verbinden. Das möchten wir hiermit zur Diskussion stellen.