„Wake me up when the apocalypse is over“[0]

von Jens Wissel

Der von Russland völkerrechtswidrig begonnene Krieg gegen die Ukraine dauert jetzt ein Jahr und ein Ende ist nicht abzusehen. Hunderttausende mussten sterben, ein Land wird verwüstet und es wird Jahrzehnte mit den Folgen zu kämpfen haben. Aber es sind nicht nur die Verwüstungen in der Ukraine, die erschreckend sind, auch die Eskalationsdynamik des Krieges und die Art der Auseinandersetzung mit dem Krieg erschreckt. Nicht zuletzt auch, weil Russland eine Atommacht ist. Die Debatten werden beherrscht von einem moralischen Rigorismus, der jede Analyse über globale Machtverhältnisse und der hieraus folgenden Interessenpolitik in den Wind schlägt.

Moralische Mobilmachung

von Mario Neumann

Von heute aus betrachtet erscheint diese mediengetriebene „allgemeine Mobilisierung“ der Bevölkerung in der Pandemie wie eine Blaupause dafür, wie der tatsächliche Krieg, den Putins Armee in der Ukraine entfesselt hat, medial und politisch orchestriert wird. Dieser Krieg verdrängt seit Monaten jede andere Weltkrise und hat das Medienspektakel rund um Corona bruchlos abgelöst. Seitdem wird aus den deutschen Wohnzimmern nicht mehr das Pflegepersonal beklatscht, sondern der ukrainische Widerstand gegen die russische Invasion. Unzweifelhaft haben diese Menschen nicht nur unseren Applaus, sondern auch unsere Empathie und Solidarität verdient, ebenso wie ukrainische Geflüchtete.

Wo ist die parlamentarische Linke geblieben?

von Joachim Hirsch

Die Feststellung ist wohl nicht übertrieben, dass sich die linken Parteien nicht nur in Europa in einer Krise befinden. In Frankreich wurde die Präsidentschaftswahl zwischen dem liberalen Macron und der rechtsradikalen Le Pen entschieden. Auf letztere entfielen immerhin über 40 Prozent der Stimmen. Die radikale Linke konnte zwar einen Achtungserfolg erzielen, allerdings im Wesentlichen durch Protestwähler, die bei denen, angenommen wird, dass sie in der Stichwahl teilweise für Le Pen gestimmt haben. Die Sozialdemokratie ist dort praktisch verschwunden, ebenso wie die konservativen Parteien. In Deutschland muss die Linkspartei nicht zuletzt auf Grund ihrer inneren Zerrissenheit um ihr parlamentarisches Dasein bangen und die mit einem eher bescheidenen Stimmanteil von der SPD gewonnene Bundestagswahl hat viel mit der ausgebrannten CDU zu tun.

Was kommt nach dem Wachstum?

von Karl Casny

Vor der Pandemie hatten neben Wachstumskritik auch Auseinandersetzungen zur Ökonomie einer Postwachstumsgesellschaft Hochkonjunktur. Mittlerweile liegen so viele einschlägige Theorien und Konzepte auf dem Tisch, dass man sich immer schwerer zurechtfindet im Dickicht der einander teils überlappenden, teils schroff widersprechenden Ansätze. Hier werden einige der am häufigsten diskutierten Standpunkte etwas genauer betrachtet.

Demokratie jenseits von Corona

von Roland Roth

Die Corona-Pandemie ist eine einschneidende gesellschaftliche Herausforderung, die alle Lebensbereiche tangiert. Dieser Beitrag thematisiert nur einen kleinen Ausschnitt. Zu den einschneidenden Erfahrungen in der Corona-Krise gehört, dass Bürgerbeteiligung und eine aktive Zivilgesellschaft – in besseren Tagen als Grundpfeiler einer vielfältigen Demokratie gefeiert – weithin unter die Räder geraten sind. Beide scheinen Schönwetter-Veranstaltungen, deren Produktivität in Krisenzeiten unter eingeschränkten Bedingungen und bei der Bewältigung unerwarteter Herausforderungen nicht gesehen wird.