Michael B. Elm
Die US-amerikanischer Wähler haben sich entschieden. Sie haben sich für Donald J. Trump entschieden. Daran gibt es nichts schön zu reden. Die Versuche, Fehler im Wahlkampf der demokratischen Partei zu finden, sind verständlich und notwendig, verdecken aber, was es zuvorderst zu verstehen gilt. Gewonnen haben die populistischen Appelle an Ängste, Wohlstandsverluste, Ausgrenzungswünsche und Sentimentalitäten breiter Bevölkerungsschichten. Und das innerhalb eines Gesellschafts- und Wahlkampfsystems, das mit der höchstrichterlichen Aufhebung der Obergrenzen für Wahlkampfspenden 2014 sich insgesamt zunehmend in Richtung einer oligarchischen Demokratie bewegt. Trumps Wahlsieg wird die politische Landschaft und insbesondere die Art und Weise der Wahlkampfführung nicht nur in den USA auf Jahre hinaus verändern. An erster Stelle werden sich die repressive Haltung der Migrationspolitik und deren mediale Hochtöner noch verstärken. Davon profitieren die ohnehin starken rechtspopulistischen Kräfte und werden weitere illiberale und autokratische Regime wie giftige Pilze aus dem Boden schießen. Der Rechtsruck dürfte insbesondere die europäische Politik betreffen, wo schon bald Entscheidungen anstehen, wieviel finanzielle und militärische Mittel man für den ukrainischen Kampf gegen Putins Russland aufzubringen bereit ist. Es erscheint unwahrscheinlich, dass die Europäer die notwendige Entschlossenheit zur Unterstützung dieses Kampfes zustande bringen. Zu sehr werden die innenpolitischen Kämpfe in den einzelnen Ländern dazu neigen, die nötigen Mittel für die eigene Bevölkerung aufzuwenden. Im Gegenzug wird die Aussicht auf eine russische Dominanz in Osteuropa hunderttausende Ukrainer, Georgier, Moldawier und andere dazu bewegen, sich diesem Schicksal zu entziehen und enormen Druck auf die osteuropäischen Grenzen ausüben. Das kommt wieder den rechten Kräften in Europa zugute.
In Israel (dem Wohnsitz des Autors) wird das demokratische Dämmerlicht einer ausgedehnten Nacht weichen. Die rechtsradikale Regierung um Premierminister Benjamin Netanjahu hat kaum noch Widerstände gegen die Fortsetzung des juristischen Staatsstreiches zu befürchten. Zwar dürften die außenpolitischen Konsequenzen des US-amerikanischen Regierungswechsels geringer bleiben, als es sich die überwiegend pro Trump eingestellte israelische Öffentlichkeit erhofft. Zu stark sind die amerikanischen Interessen – und nicht zuletzt die der Trump Familie mit ihren milliardenschweren Investitionen im Hotelgewerbe in Jeddah – mit dem Saudischen Königreich liiert. Letzteres kann es sich aber aufgrund innerpolitscher und regionaler Gründe nicht leisten, den palästinensischen Anspruch auf eigene Staatlichkeit gänzlich preiszugeben. Das setzt den Ambitionen der israelischen Rechten zur offiziellen Übernahme der Westbank und Besiedelung des Gazastreifens gewisse Grenzen. Innenpolitisch hingegen können sich der amerikanische Präsident und der israelische Premier die Bälle beim Abbau des Rechtsstaates bei gleichzeitiger Politisierung von Regierungsinstitutionen zuspielen. Man kann jetzt schon Trump in der Knesset und Netanjahu im Kongress vor sich sehen, wie sie eine Politik der harten Hand beschwören, die Verdienste des jeweils anderen preisen und dabei immer nur sich selber meinen. Insbesondere Netanjahu könnte es so gelingen, das extrem beschädigte Ansehen aufzupolieren. Protestbewegung und politische Opposition in Israel werden zwar nicht verschwinden, sind aber zu sehr geschwächt, um die Durchsetzung bestimmter Gesetzespakete zu verhindern. Die Absetzung des Verteidigungsministers, Yoav Gallant, inmitten eines Mehrfrontenkrieges und dessen Ersetzung durch einen Netanjahu Yes-Man haben das gezeigt. Gegenwärtig laufen Angriffe gegen den Chef des Inlandgeheimdienstes, Ronen Bar, den Generalstabschef, Herzl Halevi, sowie die Generalstaatsanwältin Gali Baharav Miara. Diejenigen, die sich noch aktiv gegen den Umbau stellen, müssen mit verstärkter Polizeigewalt rechnen. Dem wegen terroristischer Vergehen vorbestraften Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, ist es gelungen, entscheidende Posten mit seinen Leuten zu besetzen. In Trumps Amerika wird man ähnliche Umbaumaßnahmen in Polizei und Justiz vorantreiben, um absehbare Proteste zu unterbinden. Die bisherigen Nominierungen für Justiz, Verteidigungsministerium und Inneres mit Leugnern der Insurrektion vom 6. Januar bis hin zu Anhängern der Great Replacement Theorie zeigen, wohin die Reise geht. Der verhasste deep state kann endlich gesäubert werden. Eine Umbesetzung von Posten bis in niedere administrative Bereiche hinein ist bereits angekündigt. Dadurch entsteht ein Pool an Jobs, der an Loyalisten und rechte Parteigänger vergeben werden kann. Die Proud Boys als nationale Sicherheitsgarde.
Die verhängnisvollste Wendung dürfte sich aber im Bereich der Klimapolitik vollziehen. Durch die Leugnung des Klimawandels in der US-Administration, der heute schon abertausende das Leben kostet und in Form stärkerer Tornados und Hurrikane auch durch die USA zieht, bleiben notwendige staatliche Initiativen aus und werden internationale Kooperationen weiter geschwächt. Den katastrophalen Auswirkungen, die wiederum Millionen Menschen ihrer Existenzgrundlagen berauben und auf eine unsichere Flucht schicken, wird mit rein repressiven Maßnahmen begegnet werden. Der pathische Projektionsmechanismus der Rechten, bei dem die Bedrohten zur Bedrohung werden, erfüllt sich ein weiteres Mal.
Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass Donald Trumps sentimentale Versprechungen von Sicherheit und Wohlstand scheitern werden. Die Rückverlagerung industrieller Produktion in die USA oder die Einrichtung von Schutzzöllen bestimmter Industrien werden nicht die angestrebte ökonomische Wirkung zeigen. Der amerikanische Wohlstand nach dem Zweiten Weltkrieg beruhte bekanntermaßen auf den Exportüberschüssen, die in Übersee erwirtschaftet wurden, bis sich die Exportquote mit Europa und Japan umkehrte. Wie das heute wieder funktionieren soll, wenn die Märkte stärker abgeschottet werden, ist komplett unklar. Für das Scheitern der populistischen Versprechungen wird Trump unzählige Schuldige finden. Die illegalen Migranten, die demokratische Opposition, die Faulenzer, China, die Juden, usw. Deren Verfolgung durch gesetzgeberische Maßnahmen schafft die Möglichkeit weiterer Machtkonzentration bis hin zur Etablierung permanenter Ausnahmezustände. Die Entmachtenden werden der Anhängerschaft als reale oder fiktive Opfer dargeboten, bis diese schließlich selbst zum Opfer wird. In welcher Form dies geschieht – etwa durch eine außenpolitische Aggression oder nationale Katastrophe – muss an dieser Stelle offenbleiben. Beschrieben ist hier nur der `natürliche´ Werdegang autoritärer Systeme.
Welche Kräfte sich dagegen entwickeln und als wie resistent sich die US-amerikanischen Institutionen erweisen, ist schwer abzusehen. Die Demokratische Partei wird damit beschäftigt sein, die autoritäre Übernahme staatlicher, medialer und gesellschaftlicher Institutionen abzuwehren. Es wird zu massenhaften Protesten und internen Kämpfen in den verschiedenen Staatsapparten kommen. Jede Gegnerschaft zum neuen Kurs wird als undemokratisch gebrandmarkt werden, da die Wahlentscheidung die Trumpschen Republikaner mit ausreichend Legitimation versorgt hat. Die israelische Erfahrung (und nicht nur diese) lehrt, dass sich der autoritäre Populismus nicht durch friedlichen Protest von seinem Kurs abbringen lässt. Die US-amerikanische Politik und Gesellschaft verfügen über eine Tradition des zivilen Ungehorsams. Viel wird davon abhängen, ob es diesen gelingt, genügend Sand ins Getriebe des Umbaus zu streuen, bis es zu Neuwahlen kommt oder die Republikaner in den Mid-Terms entscheidend geschwächt werden. The games have begun.