Sozialpolitik als Bereitstellung einer sozialen Infrastruktur

Die Diskussion

Kapitalistische Sozialpolitik, wie sie historisch bei uns seit dem 19. Jahrhundert entwickelt wurde, ist Politik zur Reproduktion der Lohnarbeitskraft. Sie verstetigt das Lohneinkommen zwischen aktiven und abhängigen Phasen der Lohnarbeiter-Existenz. (Umverteilung ist sie vor allem zwischen diesen Phasen, nicht zwischen „oben“ und „unten“.) Soweit die Lohneinkommen auch den für die Wirtschaft notwendigen „Konsum“ ermöglichen, ist Sozialpolitik zugleich Wirtschaftspolitik: Sie verstetigt die Absatz-Möglichkeiten der Konsumgüter-Industrie und stützt indirekt auch andere Sektoren der Wirtschaft.

Zur (Nicht-) Aktualität der sozialen Infrastruktur

von Joachim Hirsch

Nachdem die populistisch aufgeheizte „Flüchtlingsfrage“ vielleicht auch wegen fehlenden Anlasses etwas in den Hintergrund getreten ist, kommt wieder stärker in die Schlagzeilen, was die wirklich drängenden Probleme der Leute sind. Bei den aktuellen Wahlen in Hessen und sogar Bayern spielten diese jedenfalls wieder eine deutlichere Rolle. Das Debakel der CSU hat auch damit zu tun, dass sie jahrelang das Flüchtlingsthema hochgepuscht hat. Was zeigt, dass es wenig lohnt, der AfD nachzulaufen. Und auch die lange mit sich selbst – oder genauer: Seehofer – beschäftigte Bundesregierung will sich neuerdings wieder „Sachfragen“ zuwenden, also mit dem, was „den Menschen da draußen“ auf den Nägeln brennt: die Wohnungsmisere, der Verkehrsinfarkt, die Luftverschmutzung, das Klima, die Renten, das Gesundheitswesen, bei dem der Pflegenotstand aktuell das beherrschende Thema ist. Und natürlich immer wieder die Bildung.

Sozialpolitik als Bereitstellung einer sozialen Infrastruktur

AG links-netz

In Deutschland wurde Neoliberalismus in der Sozialpolitik von der rot-grünen Koalitionsregierung 1998–2005 durchgesetzt. Die Marke „Hartz IV“ erinnert an den Manager-Freund des damaligen Bundeskanzlers Schröder. Die nachfolgenden Bundesregierungen aller Couleur und die Unternehmer blieben daran, das fordistische Reglement der sozialen Sicherung in seinen Kernelementen zu schleifen. Trotz allgemeiner Unzufriedenheit hat sich dagegen bisher kein schlagkräftiger politischer Widerstand entwickelt. Darin drücken sich die mit dem Siegeszug des Neoliberalismus veränderten politischen Kräfteverhältnisse aus. Angesichts dessen, dass sich die Gewerkschaften weitgehend in das neoliberale Projekt haben einbinden lassen und die SPD selbst noch in der Opposition zu dessen entschiedensten Verfechtern gehört, wären dazu ganz neue politische Organisations- und Artikulationsformen notwendig.

Eine andere Gesellschaft ist nötig: Zum Konzept einer Sozialpolitik als soziale Infrastruktur

von Joachim Hirsch

Wenn man sich vom allgegenwärtigen neoliberalen Geschwätz der Politiker und Journalisten den Blick nicht ganz verstellen läßt, dann fallen an den herrschenden gesellschaftlichen Zuständen einige Merkwürdigkeiten ins Auge. So werden Jahr für Jahr mehr Güter und Dienstleistungen – das sogenannte „Sozialprodukt“ – produziert, aber gleichzeitig wächst die Zahl der Armen, werden Sozialleistungen gekappt, Renten gekürzt und die öffentlichen Haushalte auf Sparkurs getrimmt – vor allem zu Lasten der Versorgung mit öffentlichen Gütern. Dem fallen Schwimmbäder, Bibliotheken, Hilfs- und Versorgungseinrichtungen und vieles mehr zum Opfer. Obwohl wir in einer der reichsten Gesellschaften auf diesem Globus leben, verrottet das Bildungssystem.